Das Wunder der Hummeln

Es ist noch sehr  kühl, kein Insekt wagt sich aus dem Winterquartier. Da lenkt ein tiefer Brummton die Aufmerksamkeit auf eine besonders große Hummel: rund 2 cm lang, 1 cm dick.

Ihr dunkler, behaarter Körper trägt dunkelgelbe Streifen an Brust und Hinterleib. Das Körperende ist weiß. Ganz allein brummt sie von Blüte zu Blüte. Dabei ist sie nicht sonderlich wählerisch. Mal ist sie an den Hornveilchen, dann am stinkenden Nieswurz, Helleborus foetidus. Dann wechselt sie auf die Lenzrosen, die Helleborus Orientalis-Hybriden. Als es wärmer wurde, fand sie großes Gefallen am Lerchensporn, Corydalis cava. Soweit meine Beobachtungen. Sie draußen zu fotografieren scheiterte an der Wendigkeit dieses so plump wirkenden Insektes. Erst, als sich eine ins Haus verirrt hatte und völlig erschöpft auf dem Fensterbrett saß, war ein Foto möglich. Ich griff sie mit dem Taschentuch und brachte sie ins Freie. Durch das Tuch hindurch war eine intensive Vibration spürbar. Auf die Lerchenspornblüte gesetzt, wurde sie schnell wieder aktiv.

Zum Namen dieser Hummel: Sie trägt den schönen zoologischen Namen Bombus terrestris, auf Deutsch: Dunkle Erdhummel. Diese Einzelwesen, die früh im Jahr den Garten besuchen, sind Königinnen, in den ersten Wochen "Alleinerziehende". Ihre Nester bauen sie in frostfreien Maulwurfs- oder Mausegängen. Die ersten Gelege und Larven versorgt sie mit ihrer Körperwärme, der Abwärme die beim Bewegen der Flügel entstehen. Diese Körperwärme und ihr dicker Pelz ermöglichen es ihr auch, schon ab 2° C. im Freien aktiv zu werden. Nach ein paar Wochen schlüpft der erste Nachwuchs, Arbeiterinnen, die nun der Königin bei der Versorgung der Larven, beim Ausbau des Nestes und der Wärmeerzeugung helfen. Auf dem Höhepunkt der jährlichen Entwicklung kann solch ein Hummelvolk bis 600 Individuen zählen. Nun entstehen auch die Drohnen aus unbefruchteten Eiern und etwas später künftige Königinnen. Nach der Paarung schaffen sich die Königinnen Körperreserven zur Überwinterung. Und wenn es kalt wird suchen sie sich einen Überwinterungsplatz. Das alte Nest und das Volk, aus dem sie stammt, gehen zu Grunde.

Hummeln besitzen einen langen Rüssel, können Nektar "ernten" bei Blüten, die für die kurzrüsseligen Bienen uninteressant sind. Auf Hummeln angewiesen sind z.B. der Rotklee, viele Lippenblütler, Schmetterlingsblütler, Fingerhüte, Löwenmäuler. Auch Eisenhut und Rittersporn könnten sich ohne Hummeln nicht generativ fortpflanzen. Auf Obstplantagen sind die Hummeln die Retter in der Not, wenn die Blüte in eine Schlechtwetterphase gerät.

Übrigens ist die Dunkle Erdhummel beim Unterglasanbau von Tomaten und Paprika ein wichtiger Helfer. Sie betreiben das Schütteln der Blüten, das früher Helfer oder Automaten machten. Die Niederländer setzen die Hummeln schon seit Jahrzehnten ein. Heute ist dieses Verfahren allgemein üblich. Die "Hummelfabrikanten" verdienen sich eine Goldene Nase, und die "Tomatenfabrikanten" werben mit Bioware ungeachtet der Tatsache, dass die Tomaten am Tropf hängen und in Steinwollblöcken wachsen. Und so ist von der Stückzahl her gesehen die Dunkle Erdhummel ein Massenhaustier!

Christian Seiffert
aus Jamlitz und Eresing Seit 2001 experimentiert Christian Seiffert parallel in zwei geographisch weit auseinanderliegenden Gärten: in Oberbayern und in der Niederlausitz, im Land Brandenburg.
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