Der Garten und der Globus

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Teil II - Über den französischen Gärtner Gilles Clément und sein Buch ›Die Weisheit des Gärtners‹

Teil I der Vorstellung von Gilles Cléments Schriften war der deutschen Ausgabe seiner Antrittsvorlesung am Collège de France gewidmet. Nun ist, wiederum bei Matthes & Seitz, ein weiteres Buch dieses unkonventionellen Gartengestalters erschienen: ›Die Weisheit des Gärtners‹. Der Titel klingt nach Abgeklärtheit, Besinnlichkeit, Altersresümee. Der Band versammelt eine Reihe von Essays, von programmatischen und autobiographischen Texten, von denen einige Züge eines Lebensrückblicks tragen, so etwa über Cléments Lehrtätigkeit in Nicaragua, über seine akademischen Lehrer oder über die Entstehung seines eigenen Gartens in La Creuse südlich von Paris, unweit seines Geburtsortes. Aber es ist nichts Nostalgisches, gar Verklärendes an diesen Texten, im Gegenteil: Immer wieder handeln sie von den bewegenden Grunderfahrungen, auch von den Protestenergien, die man im Garten gewinnen kann, von einer stärkenden und fordernden ›Gegenwelt‹ gegen die industrielle Vernutzung und gezielte Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen, sprechen von Aufmerksamkeit, Geduld, Zurückhaltung des gärtnernden Menschen, vom ökologischen Umdenken, das vorangebracht werden muss, von den Utopien einer freundschaftlichen Beziehung zu den Menschen wie zur belebten Mitwelt.

Das zentrale Kapitel des Buchs heißt »Planetarisches Gärtnern«. Darin erläutert Clément, weshalb er den Garten als ein kleines Abbild des großen Gesamtgartens unseres Globus’ versteht, eben des ›planetarischen Gartens‹, in dem – im wahrsten Sinne – auf Gedeih und Verderb die Menschen als Kultur- wie Naturwesen mit den nicht-menschlichen Akteuren zusammenwirken. Er erzählt von einem kaum erkennbaren Garten, den Forscher mit äußerster Behutsamkeit mitten im afrikanischen Urwald angelegt haben, so wie es indigene Völker seit Jahrtausenden getan haben. So werde erfahrbar, dass der Garten in Zeiten einer globalen Bedrohung der natürlichen Lebensgrundlagen nicht mehr von »Architektur und Ornament« bestimmt werden könne, sondern auszurichten sei auf die sorgsame »Nutzung der Diversität, ohne sie zu zerstören«. Gärtnern heißt also für Clément, nach den gleichen Grundsätzen auf dem beschränkten Raum eines Gartens zu verfahren, die für den Erhalt der Lebensvielfalt und der natürlichen Prozesse auf dem Globus gelten sollen. Dazu gehört vor allem, nicht planerisch und architektonisch und gartenästhetisch alles beherrschen und in ein ›Bild‹ zwingen wollen, sondern einer ›Vision vom lebendigen Austausch‹ zur Gestalt zu verhelfen und auch dem natürlichen Geschehen Raum zu geben.

Gilles Clément strebt nicht einfach an, was man in Deutschland einen ›Naturgarten‹ nennt. Er ist ein in höchstem Maße politischer Gärtner und Autor, für ihn haben Gärten auch eine eminent politische Bedeutung. Dass er sich zeitweise für die französischen Grünen engagiert hat, verwundert nicht. Aber das Buch trägt nirgends die Züge einer ›Kampfschrift‹. Clément kann wunderbar erzählen, etwa von seiner Kindheit – freilich kommt hier sein Schlüsselerlebnis nicht vor: Er musste einmal seinem Vater beim Besprühen von Rosen mit einem Fungizid helfen. Das Gift geriet in eine offene Wunde, der junge Gilles lag zwei Tage im Koma.

Witzig und manchmal grotesk sind Partien über die ungebetenen tierischen Mitbewohner im Haus oder über den üblichen Kleinkrieg gegen die Maulwürfe, der natürlich nicht zu gewinnen ist. Gelegentlich kommt Clément aufs Detail der Pflanzenarten mit ihren botanischen Namen, er schweift zu Kindheitserlebnissen ab, oder er geht gleichsam auf die Knie beim Beobachten der Vorgänge im Garten. Immer aber kehrt er zurück zu den ›Großen Fragen‹: Was wir vom Garten erhoffen und erwarten, wie wir Gestaltungswillen und Lernbereitschaft, den vorläufigen Eingriff und das Geschehenlassen verbinden, wie wir lernen, die ›Signatur‹ des Gartens zu verstehen, wie wir uns »der Tyrannei der gesellschaftlichen Raster entziehen« können.

Keines der üblichen Gartenbücher, wie sie zu Dutzenden in den Regalen stehen. Ein nachdenkliches, manchmal herausforderndes, manchmal bewegendes, oft hinreißend erzähltes Buch, in dem eine große Erfahrung und eine schier unerschöpfliche Vitalität spürbar werden, eine Bescheidenheit und eine Entschiedenheit, eine Empfindungsfähigkeit und eine Klugheit des kundigen Gärtners – und, trotz allem, eine große Zuversicht. Nichts für eine flüchtige Nebenbei-Lektüre, sondern ein Buch, das die Ansichten vom Gärtnern in Bewegung bringen kann.

Gilles Clément: Die Weisheit des Gärtners. Aus dem Französischen von Brita Reimers. Berlin: Matthes & Seitz 2017. 107 S. 16,00 €


Foto-Quellen:
Die verwendeten Fotos stammen von Gilles Clément, Lizenz freie Kunst, gillesclement.com

Ludwig Fischer
Garten und Literatur Bis Ende 2017 berichtete Ludwig Fischer aus seinem großen Kräuter-Schaugarten in Benkel nahe Bremen, von dem er Abschied nahm, um sich von nun an stärker aufs Schreiben zu konzentrieren.
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Text und Fotos: Ludwig Fischer