Gesucht, probiert und dann zufällig gefunden

Seit Jahren bin ich auf der Suche nach Doldenblütlern. Ich weiß, Sterndolden und Mannstreu gehören auch zu dieser gattungsarmen Familie, aber sowas meine ich nicht. Es geht mir um die spezifische Optik, aus zwei Gründen. Erstens können sie eine wunderbare Leichtigkeit in Staudenpflanzungen bringen und zweitens sind die meisten ein gerne in Anspruch genommener Landeplatz für Insekten, die sich dort unverhüllt dem Auge des Betrachters zeigen, anstatt in einem Blütenschlund zu verschwinden, beziehungsweise hektisch raus und rein fliegen. Hier landen sie, vergnügen sich und ruhen sogar manchmal aus.

Es vergingen Jahre, ich ließ Petersilie und Möhre blühen, versuchte es mit Wiesenkerbel, aber das eine blieb mickrig und das andere weg. Es vergingen Jahre, bis mich Dieter Gaißmayer auf Cortia wallichiana aufmerksam machte, der auf seiner Webseite ausdauernd beworbenen „Doldenkönigin“. Ich besorgte sie mir, pflanzte sie in meinen humosen Sandboden, wo sie meine Hoffnung auf einen Doldenblütler zunichtemickerte. Während ich die Königin in anderen Gärten über einen Meter hoch erlebte, mit einer überreichen Blüte gesegnet, die auf roten Stängeln sitzt, erreichte sie bei mir gerade mal dreißig Zentimeter und schien zu flehen: Erlöse mich! Das habe ich schließlich getan.

Anders als der Hausgärtner erlebt der Schrebergärtner die eine oder andere Überraschung aufgrund seiner Verpflichtung zum Nutzpflanzengärtnern. Vor ein paar Jahren, als der VEN die Pastinake als Gemüse des Jahres gewählt hatte, säten wir sie auch mal aus. Dies geht problemlos und zudem hat die Knolle den Vorteil, dass sie wächst, ohne zu verholzen oder sonstwie an Geschmacksqualität einzubüßen. Das heißt: Wer sich in Geduld übt, hat eine üppigere Ernte. Diese findet bei uns meist erst ab Spätherbst statt, und wer sich im Inhalt von Pastinakensamentütchen auskennt weiß, dass da einiges an Pflanzen zusammenkommt.

Nun wird unsere Kleingartenanlage von vielen Besuchern deshalb als die schönste Münsters bezeichnet, weil wenig in Reih und Glied steht und sich Vagabunden wie Mohn, Melde, Königskerze, Johanniskraut oder Färberkamille zwischen dem Gemüse einnisten und meist geduldet werden. Meine Frau steigert dieses wunderbare Durcheinander noch dadurch, dass sie mal hier einen Rotkohlsetzling platziert, mal dorthin und genauso mit Roter Beete, Wirsing, Lauch oder Neuseeländer Spinat verfährt. Und mit Pastinake. Daher blieb eine den ganzen Winter über im Boden, das Grün verschwand.

Im beginnenden Frühjahr war meine Neugier kaum zu bremsen, doch untersuchte ich nicht, in welche Rekordtiefe die Rübe vorgestoßen war, ließ sie vielmehr im Boden und wartete ab. Bald trieb sie grün aus, die unmittelbare Nachbarschaft zu einem Rittersporn spornte sie offenbar an, hielt Schritt mit seiner Wuchshöhe und reicht mir nun bis zur Nasenspitze. Ein prächtiges Exemplar, die Blüte gelb, die Blätter grün, wunderbar neben dem Rittersporn. Nun ziert also endlich ein Doldengewächs mein Gärtchen, das es sogar wert wäre, solitär zu stehen.

Dieses Jahr wird das zweite und letzte dieser Pflanze sein. Es ist Ende Juni, sie verblüht gerade, setzt reichlich Samen an. Aber verdammt, in diesem Frühjahr haben wir alten Samen verwendet, der nicht aufging. Zukünftig werde ich also immer mindestens eine Pflanze im Boden lassen, aus eigenem Samen gezogen. Dank der Verwilderungsstrategie meiner Frau werde ich aus verschiedenen Plätzen auswählen können. Vielleicht setzt Madame ja mal eine zwischen die hohen Astern …

Stefan Leppert
Der Buchautor, Journalist und Übersetzer Stefan Leppert versorgt uns »Nachrichten aus dem Schrebergarten«, denn er gärtnert nicht nur in einer sehr besonderen Kleingartenanlage.
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