Grünes Treiben auf der Jungviehweide

Text und Fotos: Petra Pelz

Petra Pelz hat sich mit ihren virtuosen Pflanzungen auf großen Gartenschauen international hohes Ansehen erworben. Aber auch Planungen und Workshops für private Gartenliebhaber machen der Gartenarchitektin viel Freude.
Bei ihrem Besuch auf der Illertisser Jungviehweide hatte sie eine Menge Fragen an Dieter Gaißmayer, der ihr mit Vergnügen Rede und Antwort stand:

Grünes Treiben auf der Jungviehweide

Dieter Gaißmayer im Interwiew

Seit 35 Jahren ist Dieter Gaißmayer der Frontmann seiner gleichlautenden Gärtnerei. Sie liegt im schwäbischen Illertissen und mehr als eine Gärtnerei. Es ist quasi eine Institution, Vorzeigebetrieb, lebendiges Museum, botanische Sammlung und ein Mekka für Staudenliebhaber.
An einem sonnigen Herbsttag habe ich ihn in seiner Gärtnerei getroffen, ich habe viel gelernt und erfahren und zudem hatten wir viel Spaß miteinander.

Dieter, Du bist ein leidenschaftlicher Staudengärtner und kultivierst ein umfangreiches Stauden und Gräser Sortiment. Wie viele Arten und Sorten hältst du für deine Kunden bereit?

Leidenschaft trifft sicher zu, aber das mache ich natürlich nicht allein – wir sind ein großes Team, miteinander kultivieren wir in etwa 3000 Stauden und Gräser. Wir schwelgen also in einer großen Vielfalt der Arten und Sorten. Aber das Sortiment ist ständig in Bewegung, denn wir arbeiten permanent daran, unseren Kunden nur die besten, gesündesten Sorten anzubieten. Neuheiten werden bei uns erst auf Herz und Nieren geprüft, bevor wir sie ins Sortiment nehmen. Das klingt vielleicht zunächst banal, aber dieser hohe Qualitätsanspruch ist heutzutage alles andere als Standard. Es ist üblich geworden, dass Gärtnereien vorgezogene Jungpflanzen von Zuliefererbetrieben kaufen, die sie nur noch in Töpfe stecken. Das Wissen über Vermehrungsmethoden, Wuchsverhalten und Eigenschaften der Pflanzen geht so immer mehr verloren. Über kurz oder lang verlernt auf diese Weise unser Berufsstand sein eigenes Handwerk. Das wollen wir keinesfalls unterstützen!

Bei all deinem Tun scheint es dir also wichtig zu sein, traditionelles gärtnerisches Können zu bewahren, auch weiterzugeben – andererseits finde ich dich sehr modern. Googelt man im Internet eine beliebige Pflanze, erscheint oftmals als erstes die Gaissmayer-Website. Wie gelingt dir dieser Spannungsbogen, Traditionelles und Modernes zu vereinen?

Ich möchte es nochmal sagen, das bin nicht ich allein. Zwar bin ich immer noch der „Frontmann“, arbeite aber zusammen mit unserem großen Team von Vollblutgärtnern und –gärtnerinnen, die begeistert bei der Sache sind, wir alle arbeiten gemeinsam ständig an den Sortimenten. Alle sind sie mit Leidenschaft dabei. Aus meiner Sicht ist es sehr wichtig, nicht nur die Tradition hochzuhalten, sondern auch den Blick wach in die Zukunft zu lenken. Es ist immer toll, wenn junge Leute kommen, die garteninteressiert sind. Wenn es uns gelingt, eine schlummernde Begeisterung zu wecken, sie gar weiter zu schüren, freut uns das. Nur die Jungen können irgendwann unsere Liebe zum Beruf und die Zukunft von Gärten und Gartenkultur weitertragen. Wir können uns über mangelnde Bewerbungen nicht beklagen. Viele machen bei uns eine Ausbildung oder ein Praktikum, aber das ist keineswegs eine Selbstverständlichkeit, die Gärtnereien haben große Nachwuchssorgen.

Qualität liegt dir sehr am Herzen, vor allem Bio Qualität! Was kann der Kunde, wenn er in deiner Gärtnerei einkauft, erwarten?

Aus meiner Sicht ist es so, dass die inneren Werte von Pflanzen etwas ganz was Wichtiges sind. Wir Schwaben verwenden gern den Satz; „außen hui und innen pfui“, und der scheint im Augenblick ganz besonders aktuell zu sein, wenn man auf die inneren Werte der Pflanzen zu sprechen kommt. Die Art und Weise, wie Pflanzen gezogen worden sind, kann unter anderem fatale Folgen haben. Beispiele gäbe es viele. Nehmen wir die Astern: Wenn gleich viele Stecklinge in einem Container gesteckt werden, um sie in „Schnellkultur“ blühend zu verkaufen, können sie keine Überwinterungsorgane bilden – eine besonders bei Großproduzenten durchaus handelsübliche Methode. Pflanzt man solche Stauden aus, werden sie den Winter nicht überstehen. Immer häufiger werden Stauden (und auch Rosen) aus Kostengründen z.B. in Spanien und anderen Ländern mit wesentlich milderem Klima herangezogen. Mangels Abhärtung führt dann schon der leichteste Frost zu Schäden. Das ist unsere Sache nicht! Wir wollen, dass unsere Pflanzen im Garten unserer Kunden gut und willig weiterwachsen. Es ist ja auch so, dass immer noch häufig Torfsubstrate verwendet werden, weil es das Billigste ist… Das ist kein guter Weg! Die Umstellung auf normalen Gartenboden ist dann oft schwierig, wenn sie vorher so einen Luxuskonsum hatten… Turbopflanzen wollen wir also nicht. Auch die Sortenechtheit ist uns ganz wichtig. Wir möchten, dass die Sorten auch stimmen, die wir unseren Kunden anbieten. Bio ist für uns dabei nur ein Punkt unter vielen, ein Teil des notwendigen Denkens in Zusammenhängen. Wir wollen unseren Kunden Mehrwert und Inhalte bieten! Wir stehen für Gartenkultur. Bei uns werden Pflanzen nicht produziert, sondern nachhaltig kultiviert. Das ist uns sehr wichtig, denn da steckt der Begriff „Kultur“ drin. Das heißt; wir schaffen Gartenkultur – und das Tag für Tag. Das ist etwas, was ich mir generell wünschen würde. Schön wäre, wenn es noch mehr Kollegen gäbe, die so denken und handeln. Kollegen, die sich ganz klar abgrenzen von den Massenproduzenten, den industriellen Prozessen, wo dann riesige Mengen an Pflanzen auf den Markt geschmissen werden. Da gibt es ja auch den fürchterlichen Begriff „Verbrauchsstaude“ oder „Wegwerfstaude“. Pflanzen, die dann zur Blüte irgendwo rumstehen und später auf dem Müll landen. Das würde ich überhaupt nicht wollen, dass unsere Pflanzen so behandelt werden. Sondern es sind wertvolle Geschöpfe, die ein langes Leben im Garten verdient haben.

Es heißt auch, bei Gaissmayer ist immer was los! Ihr habt auch außerhalb eures Tagesgeschäfts viele Gäste auf der Jungviehweide. So locken Vorträge, Feste und unterschiedliche Veranstaltungen zahlreiche Besucher an. Das sieht nach einem Rundumwohlfühlpaket für Gartenliebhaber aus.

Das große Gelände hier heißt „Jungviehweide“, ich spreche in diesem Zusammenhang gern von dem „grünen Netzwerk auf der Jungviehweide“. Das ist einmal die Staudengärtnerei, dann ist aber hier auch die Stiftung Gartenkultur mit dem Museum der Gartenkultur aktiv und mit den Themen-Gärten im Außengelände spielt der Verein „Förderer der Gartenkultur“ eine wichtige Rolle. Er wirkt als tatkräftiger Veranstalter und pflegt diese als „Pflanzenkabinette“ bezeichneten Themengärten. Auch der Gartenbauverein von Illertissen und die Imker der Umgebung sind da, und das alles wirkt im Prinzip zusammen. Wir bieten den Besuchern einen Ort, an dem man locker einen Tag verbringen und sich mit Pflanzen und dem grünen Leben befassen kann. Unser Museumscafé ist von Mitte März bis Mitte Oktober geöffnet. Auch bieten wir eine große Vielfalt von Veranstaltungen an: von Rundgängen über Seminare, Workshops, Museumsführungen bis hin zu großen Veranstaltungen, wie die seit 20 Jahren stattfindende Illertisser Gartenlust. Das ist unser größtes Event. Jahr für Jahr kommen bis zu 15.000 Leute.

Welche Pflanzen möchtest du deinen Kunden wärmstens ans Herz legen, weil sie einfach toll sind?

Wir haben ja Themenschwerpunkte, und einer davon ist ganz eindeutig der Phlox. Der hohe Phlox, aber auch die robusten Breitblatt- und Waldphloxe, da haben wir ein Riesensortiment. Der hohe Phlox (Phlox paniculata) ist Opfer des Klimawandels. Er braucht zunehmend einen optimierten Standort. Also eher feucht genug, nicht zu heiß und eher absonnig bis halbschattig. Dem Breitblattphlox (Phlox amplifolia) habe ich mich besonders verschrieben. Mit Unterstützung von Walther Schimana, einem Kollegen, haben wir inzwischen viele attraktive Sorten ins Sortiment nehmen können. Breitblattphloxe sind deutlich hitze- und trockenheitsverträglicher als die meisten Sorten der Paniculata-Gruppe. Phloxe mit ihrer Blütenfülle und Pracht sind einfach toll.
Aber eigentlich ist ja Hopfen meine absolute Lieblingspflanze. Hopfen gehört zu den Stauden, was es unter den Kletterpflanzen ja gar nicht allzu häufig gibt. Und schön ist er… Es gibt sehr attraktive Sorten wie die Hallertauer Perle. Diese rein weiblichen Pflanzen haben wunderschöne „Zäpfle“… Und wenn man denkt, dass man davon auch noch einen Nutzen hat! Schwaben lieben Pflanzen, die einen Mehrwert bieten. Und Hopfen hat einen gigantischen, großartigen, tollen Mehrwert – in flüssiger Form! Übrigens gibt es bei uns auch eine Aromawerkstatt. Hier kann man beispielsweise lernen, wie aus Hopfen im Destillationsprozess wertvolles Hopfenöl gewonnen wird. Auf Hopfenkissen schläft man wunderbar. Wacht man auf ihnen auf, ist man einfach nur selig und für den Biergenuss sorgen hier etliche hervorragende kleine Brauereien. Dem Himmel sei Dank!

Hast du selbst einen Privatgarten, wo du ganz privat bist und vielleicht in der Abendsonne mal gern ein Feierabendbier trinkst?

(Lacht herzhaft)…… da muss ich wohl mit Ja und Nein antworten. Na klar hab’ ich einen Garten, ein leidenschaftlicher Gärtner und Sammler braucht sowas! Aber die Regie hab’ ich freudig abgegeben – an jemanden, der mir an Pflanzenwissen, Forscherdrang und Leidenschaft mittlerweile um Längen voraus ist – meine Frau Heike. Aber in so mancher Ecke gehe ich meinen eigenen Experimenten nach und freu’ mich an den verschiedensten Pflanzen, wie der traumhaften einjährigen Doldenschönheit Ammi majus 'Graceland' oder dem tollen Tautropfengras Sporobolus heterolepis 'Cloud' – übrigens eine Wiederentdeckung der modernen Pflanzenverwendung, denn es wurde schon 1908 in „Möller´s Deutsche Gärtner-Zeitung“ erwähnt. Seinen Duft müsste man einfangen können! Und das Feierabendbier ist für einen Hopfenfreund wie mich natürlich unverzichtbar!

Danke fürs Gespräch

Dieter Gaißmayer
Dieter Gaißmayer hat 40 Jahre die Geschicke der Staudengärtnerei gelenkt und die Verantwortung zum 1.1. 2020 vertrauensvoll an die junge Generation übergeben. Aber wer ihn kennt, der weiß – Ruhestand ist keine Option! Er freut sich, nun endlich...
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Text und Fotos: Petra Pelz