Kamelienzeit

Ein Beitrag von

Einfach war es nicht, in den 1970er Jahren eine Kamelie zu erwerben. Dann endlich wurden welche angeboten, aber alle von derselben Sorte: 'Chandlers Elegans'. Für ein Vermögen erwarb ich ein Exemplar mit schönen dicken Knospen, ein ideales Weihnachtsgeschenk. Heute erfreut uns die »Elegans« noch immer, rechnet man ihre Kinderjahre als Steckling mit hinzu, dann ist sie jetzt 50 Jahre alt. Die Sorte freilich ist viel älter. Sie entstand 1823. Ein englischer Gärtner namens Alfred Chandler hat sie aus Samen gezogen. Die Mutter war eine Camellia japonica 'Anemoniflora'.

Die Zeiten wandeln sich. Vor ein paar Jahren kaufte ich eine Kamelie im Supermarkt – für € 7,50. Ich kaufte sie mehr aus Mitleid als aus Begierde. Ich sah sie schon in einem warmen Zimmer ihre weißen Knospen abwerfen.

Und die Zeiten ändern sich klimatisch. Es versetzte mir schon einen Schock, als eine Bekannte aus dem Nachbardorf (Oberbayern!) berichtete, ihre Kamelien blieben alle den Winter über draußen. Nun bin ich glücklicher Besitzer eines ungeheizten Wintergartens. Aber es verlockt nun doch, über die Freilandkultur nachzudenken. Allerdings haben wir hier einen denkbar ungünstigen Boden. Der Kalkgehalt zu hoch, der Untergrund Schotter. Im Jamlitzer Sand ginge das schon besser, wäre dort nicht das fehlende Wasser der begrenzende Faktor.

Im Laufe meiner Berufstätigkeit hatte ich das Vergnügen, zwei beachtliche Kamelienspezialisten kennenzulernen. In Frankfurt am Main lebte eine Floristin und Gärtnerin, die zugleich Schriftstellerin war: Marianne Beuchert, so hieß die Dame, war darüber hinaus eine China-Kennerin, sie fuhr in den Fernen Osten, als es dazu noch diplomatischer Beziehungen bedurfte. Marianne Beuchert kannte sich gut aus mit Gehölzen aus Ostasien. Und so verriet sie mir ihr Substrat-Geheimnis für Kamelien. Das Beste für die Kameliengewächse sei Nadelwaldhumus. Das ließ ich mir nicht zweimal sagen.

Der zweite Kamelienspezialist war Mathias Riedel. Als ich ihn kennenlernte, leitete es die Seidelsche Kameliensammlung in Pirna-Zuschendorf. Das hat folgenden Hintergrund: Der Gartenbaubetrieb Seidel in Dresden, Anfang des 19. Jahrhunderts entstanden, mauserte sich bis Mitte des Jahrhunderts zu einem grandiosen Kamelienproduzenten. Um 1862 verfügte der Betrieb über 1100 Sorten. Während der Kamelien-Hochkonjunktur produzierten die Seidels jährlich 136.000 Kamelien aus Stecklingen. Die Pflanzen wurden weltweit exportiert, u.a. nach Petersburg und Moskau. Aber das Geschäft schwamm auf einer gigantischen Kamelien-Modewoge, und so suchte der Betrieb bald nach neuen Standbeinen. Das wurden Rhododendren und Azaleen. Die stark reduzierte Kameliensammlung litt natürlich auch noch unter Kriegseinwirkungen. Ein Rest, ein sehenswerter Rest, befindet sich nun in den Anlagen der Schlosses Zuschendorf bei Pirna. Im Laufe eines Gespräches mit Mathias Rieger erkundigte ich mich nach der besten Düngung für Kamelien. Ohne lange nachzudenken nannte er verrotteten Pferdemist.

Aber da wir gerade in Sachsen sind, kann ich eine weitere Sammlung nicht unerwähnt lassen. Kamelien sind ja größtenteils duftlos. In Radeberg kann man jedoch eine Fülle duftender Kamelien erleben. Das kam so: Die Leiterin des Botanischen Blindengartens Radeberg, die Pastorin Ruth Zacharias, besuchte über viele Jahre hinweg Gärtnereien aller Art auf der Suche nach Duftpflanzen. Da sie selber blind ist, ließ sie sich nicht durch die Schönheit der Kamelien blenden, sondern suchte zielsicher nach Düften. Im Jahr 2019 ist eigens ein Dufthaus im Gartengelände gebaut worden, um den zahlreichen Duftkamelien und vielen anderen empfindlichen Duftgehölzen ein Unterkom-men zu schaffen. 40 duftende Kamelien stehen da, die nicht nur für die Nase, sondern auch für die Augen eine große Freude sind, darunter alte, berühmte Sorten.

Also auf nach Sachsen zur Kamelienblüte! Das Internet weist Ihnen den Weg zu den Radeberger Kamelien im Dufthaus des Botanischen Blindengartens und der über 100 Sorten beherbergenden Sammlung im Landschloss Zuschendorf.

Christian Seiffert
aus Jamlitz und Eresing Seit 2001 experimentiert Christian Seiffert parallel in zwei geographisch weit auseinanderliegenden Gärten: in Oberbayern und in der Niederlausitz, im Land Brandenburg.
Mehr lesen

Text und Fotos: Christian Seiffert