Zwiebeln verstecken

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Wenn sich die Vegetation zurückzieht, sich Melancholie und Depression breitmachen, dann ist es höchste Zeit, sich Blumenzwiebeln zu besorgen. Durch Braun und Grau dringen dann Farben ins Bewusstsein, und wenn man ein halbwegs glücklicher Mensch ist, überkommt einem sogar ein Hauch von Frühlingsgefühl. Blumenzwiebeln verstecken, das erinnert ja auch an Ostern,  das erste große Frühlingsfest.

Der Jamlitzer Garten hat in den letzten 15 Jahren viele Zwiebelschicksale erlebt. So manches ist schief gelaufen, anderes kann man noch als halbwegs gelungen bezeichnen. Aber es gibt auch einige sehr erfreuliche Ergebnisse. Beginnen möchte ich mit jenen Zwiebelpflanzen, die ohne unser Zutun reichlich vorhanden sind. Der Milchstern, Ornithogalum umbellatum, könnte auf dem trockenen Sand fast als Ersatz für die Schneeglöckchen dienen, wenn er nicht sehr viel später blühte. Tatsächlich wird er von den Leuten hier „russisches Schneeglöckchen“ genannt. Zur gleichen Zeit blühen gelbe Sterne an den Gehölzrändern, manchmal auch auf den Beeten. Es handelt sich um Gagea villosa, den Acker-Gelbstern.  Beide, Milchstern und Ackerstern sind willkommen, wo sie hinpassen, aber lästig auf den meisten Beeten. Na und dann ist noch Scilla siberica zu nennen, der Blaustern, der sich mit großem Erfolg sogar im Wald ausbreitet.

Diesen Drang, sich reichlich zu vermehren, wünschte ich mir für die anderen von uns gesetzten Zwiebelpflanzen auch. Es funktioniert – etwas gebremst – bei einigen Krokusarten. Hin und wieder tauchen Crocus tommasinianus auf an unerwarteten Stellen. Andere Krokusse bilden größere Pulks, wo zunächst nur eine Zwiebel in den Boden kam. Aber die Vermehrung erfolgt nur vegetativ. Anders bei den Traubenhyazinthen, Muscari armeniacum. Sie bilden Samen und es dauert nicht lange, bis daraus blühende Pflanzen entstehen. Außerdem machen sie auch unzählige Tochterzwiebeln. Die Traubenhyazinthen teilen sich den Platz unter der Weinrebe mit Tulipa polychroma. Beide duften hinreißend. Gesellschaft leistet ihnen die Osterluzei, Aristolochia clematitis, die wuchernde Jugendstilblume.

Beim Kapitel Narzissen musste ich völlig umlernen. Mein Großvater hatte Dichternarzissen an einer Südmauer stehen, üppige Horste. Einzelne sind davon noch erhalten, stehen in hohem Gras. Dichternarzissen die heute im Handel sind, bevorzugen einen frischen Boden, so wie auch die Trompetennarzissen. Alle Versuche, diese Narzissen hier auf dem trockenen Sand anzusiedeln, sind gescheitert. Welch Überraschung aber konnten wir mit Narzissenhybriden erleben, deren Stammeltern aus dem westlichen Mittelmeerraum kommen. N. Triandrus-Hybriden wie 'Thalia' kamen zumindest mehrere Jahre wieder. Zuverlässiger sind die Jonquilla-Hybriden und die Tazetta-Hybriden, jedes Frühjahr eine unerwartete Duftfreude. Die sommerliche, trockene Hitze, der durchlässige, sandigen Boden sagen ihnen ganz offensichtlich zu.

Das gilt für die Tulpen genauso. Ich habe immer die südsibirischen Steppen vor Augen, wenn ich an Tulpen denke. Bei den Wildarten liege ich damit sicher richtig. Arten wie Tulipa polychroma und Tulipa turkestanica sind in Jamlitz unverwüstlich. Mit Tulipa humilis Sorten und mit Tulipa tarda laufen in diesem Herbst Versuche an.

Die großen Gartentulpen aber sind sowohl von ihren Gestalten her wie von ihren Ansprüchen völlig anders. Der Vergleich mit Wildstauden und Beetstauden ist nicht verkehrt. Die mächtigen bunten Blüten verlangen einen Schmuckgarten. Einen Bereich, der auch die gezüchteten Beetstauden aufnimmt, die erst Wochen später mit ihrer Blüte beginnen. Ist der Boden mit Nährstoffen gut versorgt, können die Tulpen viele Jahre durchhalten. Im Jamlitzer „Lustgarten“ hab ich nun nach Jahren die alten Tulpen ausgegraben. Sie standen zu vereinzelt und waren etwas dürftig geworden. Jetzt wurden neue Tulpen gesetzt, in dichteren Gruppen, farblich aufeinander abgestimmt. Wollen wir sehen, was daraus wird. Im ersten Jahr sind solche Tulpenbeete ja überwältigend. Aber was kommt dann?

Die Stadt- und Ausstellungsgärtner verwenden darum die Zwiebeln meist nur ein Jahr. Die Schmuckbeete müssen geräumt und neu bepflanzt werden. Gehen die Zwiebeln auf den Kompost? Wer einen Garten mit schwerem Boden besitzt und dazu noch mit regenreichen Sommern rechnen muss, tut seinen Tulpen etwas Gutes an, wenn er sie ausgräbt und trocken bis zum Herbst aufbewahrt. Obwohl die Tulpenzwiebeln im feuchten Klima der Niederlande heranwuchsen, sind sie physiologisch noch immer Steppenpflanzen, die einen heißen trockenen Sommer brauchen.

Christian Seiffert
aus Jamlitz und Eresing Seit 2001 experimentiert Christian Seiffert parallel in zwei geographisch weit auseinanderliegenden Gärten: in Oberbayern und in der Niederlausitz, im Land Brandenburg.
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Text und Fotos: Christian Seiffert