Beste Grüße vom Garteneremiten!

Text: Antje Peters-Reimann
Bilder / Fotos:
Carl Spitzweg (1862): Ein Einsiedler, Violine spielend. Quelle: Wikimedia Commons. Aus: The Yorck Project (2002) 10.000 Meisterwerke der Malerei (DVD-ROM), distributed by DIRECTMEDIA Publishing GmbH. ISBN: 3936122202.

Wer einst auf der Suche nach einer „leichten Nebentätigkeit“ im Garten war, hätte sich bis ins 19. Jahrhundert für einen wahrlich wunderlichen Beruf bewerben können - den des Schmuck- oder Zier-Eremiten! Doch wie kam es eigentlich zu dieser merkwürdigen Profession? Entstanden ist dieser skurrile Posten, als sich der englische Landschaftsgarten immer mehr in Europa durchsetzte. Für Anlagen in diesem Gartenstil, dessen Parks und Gärten sich als eine Art begehbares Landschaftsgemälde verstanden, wurden häufig Gartenszenerien gestaltet, in deren Mittelpunkt eine Art Einsiedelei stand. Denn in dieser Zeit führte man in den Salons Diskussionen über den Gegensatz zwischen der modernen Zivilisation und dem angeblich unverdorbenen ursprünglichen Zustand der Natur - der Eremit galt dabei als Verkörperung eines vermeintlich „edlen Wilden“, der noch nicht durch die „Zwänge der Zivilisation“ verdorben worden war.

Wer etwas auf sich hielt und sich einen dieser Gärten im neuen Stil leisten konnte, der hatte in seinem grünen Paradies natürlich zum „Schmuck“ seines Gartens auch einen eigenen Garteneremiten, im Englischen „ornamental hermit“ oder „garden hermit“ genannt. Was dieser dann zu tun hatte, salopp gesagt seine „Job-Beschreibung“, lässt sich anhand überlieferter Stellenanzeigen aus alten Zeitungen rekonstruieren. In der Annonce für die Stelle des Garteneremiten auf dem Anwesen Painshill Park, das neben Grotten, neugotischen und chinoisen Architekturen auch über ein Baumhaus mit Eremitage verfügte, stand zu lesen, dass der Anwärter auf die Stelle sieben Jahre in der Eremitage zu bleiben hätte, wo er mit einer Bibel, einer Brille, einer Fußmatte, einem Strohsack als Kissen, einem Stundenglas als Zeitmesser, Wasser als Getränk und Nahrung aus dem Haus versehen werden sollte. Er musste ein wollenes Gewand tragen und durfte sich unter gar keinen Umständen die Haare, den Bart und die Nägel schneiden, nicht jenseits der Grenzen von Mr. Hamiltons Besitz herumstreunen oder auch nur ein Wort mit dem Diener wechseln.

Die Stelle war dem Gutsbesitzer, dem Landadeligen Charles Hamilton, immerhin einen Lohn von 700 Pfund wert. Diese doch recht befremdlichen Lebensbedingungen waren natürlich nicht jedermanns Sache, und die Aufgabe durfte ohnehin nur von Herren im fortgeschrittenen Alter übernommen werden. Dennoch gab es noch bis Anfang des 20. Jahrhunderts immer wieder Bewerber dafür. Wo sich kein Bewerber finden ließ, wusste man sich aber dennoch zu helfen. Im Landschaftsgarten Hawkstone Park versah eine mechanische Puppe die Funktion des „ornamental hermit“. Diese „agierte“ in einer Einsiedelei, die man mit Stundenglas, einem Schädel und einer Brille auf einem Tisch ausgestattet hatte, ein Dienstbote des Parkbesitzers musste dabei zu den Mundbewegungen der Puppe sprechen. Unsere britischen Nachbarn verboten den Beruf des Schmuck-Eremiten übrigens erst 1915 mit einem Gesetz. Ein Gedicht von John Milton erinnert noch heute an einen dieser ungewöhnlichen „Parkbediensteten“.

“And may at last my weary age
Find out the peaceful hermitage,
The hairy gown and mossy cell
Where I may sit and rightly spell
Of every star that heav’n doth show,
And every herb that sips the dew;
Till old experience do attain
To something like prophetic strain.
These pleasures, Melancholy, give,
And I with thee will choose to live.”

„Und möge zuletzt mein müdes Alter
Die friedvolle Einsiedelei finden,
Das härene Gewand und die mit Moos bewachsene Zelle,
Wo ich sitzen mag und richtig deuten
Jeden Stern, den der Himmel zeigt,
Und jedes Kraut, das den Tau aufsaugt;
Bis langjährige Erfahrung heranreicht
An beinahe etwas wie Prophetie.
Diese Freuden, Schwermut, schenke,
Und mit dir werde ich zu leben wählen.“

Antje Peters-Reimann
Antje Peters-Reimann ist Gartenhistorikerin und Journalistin in Essen. Sie hat sich der Geschichte der Gartenkunst verschrieben und berichtet berichtet über bekannte und unbekannte Gärten und ihre Schöpfer und erzählt spannende »grüne Geschichten«!...
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Text: Antje Peters-Reimann
Bilder / Fotos:
Carl Spitzweg (1862): Ein Einsiedler, Violine spielend. Quelle: Wikimedia Commons. Aus: The Yorck Project (2002) 10.000 Meisterwerke der Malerei (DVD-ROM), distributed by DIRECTMEDIA Publishing GmbH. ISBN: 3936122202.