Die glorreichen Sieben

Text: Andreas Barlage
Fotos: Staudengärtnerei Gaißmayer, Gerlinde Sachs

Ich liebe es, hin und wieder Filmklassiker zu zitieren, um sie dann in einen ganz anderen Kontext zu stellen. Selbstverständlich geht es in diesem Beitrag nicht um eine Truppe von sieben Revolverhelden, die von Bauern zur Verteidigung ihres Dorfes angeheuert werden, sondern um Stauden. Stauden, die sich innerhalb der vier Jahre, in denen ich nun als Dachterrassen-Pöttchengärtner vielfältige Erfahrungen sammle, in Kübeln bestens bewährt haben. Sicher ließe sich die Zahl »Sieben« noch deutlich erweitern – aber dann sind es ja keine »glorreichen Sieben« mehr – und dieser Text ist auch so wieder mal ziemlich lang...

Dann skizziere ich mal kurz, welche Bedingungen mein Dachterrassengarten bietet: Volle Sonne, starke Winde bei jedem Wetterwechsel, mildes Weinbau-Klima mit früh einsetzendem Lenz und spät beginnendem Winter. Schatten für nicht allzu hohe Pflanzen wirft die hüfthohe Brüstung. Alle Pflanzen stehen in Kunststofftöpfen und bekommen weder richtig billiges, noch richtig teures Substrat. Eine Dränage aus Tongranulat sorgt für ausreichend Wasserabzug.

Ich habe versucht, die Auswahlkriterien für meine Stauden auf diese Bedingungen anzupassen. Der Lichtbedarf der Pflanzen ist in den Beschreibungen ja so gut wie immer angegeben oder aber schnell ermittelbar, und Wasserbedarf hängt u. a. vom Witterungsverlauf ab. Wichtig zu wissen ist aber, dass die Wurzelausdehnung einer Pflanze bei der Kübeleignung eine große Rolle spielt. Meine Staudenlieblinge Hemerocallis, Iris sibirica und Paeonia schieden aus diesem Grund von vornherein aus; ich wusste schon, wie schnell ihre Wurzelstöcke an Grenzen stoßen. Bei vielen anderen Pflanzen musste ich das erst herausfinden. So stellte ich fest, dass etwa Fackellilien (Kniphofia) oder Inkalilien (Alstroemeria), sich viel zu schnell bestocken und jedes Jahr geteilt werden müssten – ich habe sie an Gartenbesitzer*innen abgegeben und sie – wie hoffentlich auch die Pflanzen – damit glücklich gemacht. Auch Chrysanthemen oder Herbst-Astern breiten sich schnell aus, aber die lassen sich gut mit der Pflanzkelle teilen und dürfen im Bestand bleiben.

Und selbstverständlich bin ich stets nach Dauerblühern und Stauden auf der Suche, die nach einem Rückschnitt remontieren und Insekten möglichst reiche Nahrung bieten. Gleich bei den beiden ersten meiner sieben Favoriten bin ich dieser Linie untreu geworden:

Nie werde ich auf den Polster-Phlox (Phlox subulata und Phlox douglasii) verzichten, der mir, als knallig pinkes Geschenk blühend, einmal zugespielt wurde – bis heute kenne ich den Namen der Sorte nicht. Er liefert gut drei Wochen lang ein Farbkissen, dass wunderbar zu meinem gleichfarbigen Klappstuhl-Klapptisch-Ensemble passt und im April/Mai einfach nur Freude macht – mir, aber auch Bienen und Hummeln. Sein Wurzelwachstum ist zwar rasant, aber er lässt sich alle Jahre leicht teilen... auch mit Freund*innen. Der schöne Zusatzeffekt: Die nadelartigen Polster überwallen dekorativ die Gefäßränder und sind erfreulich wintergrün.

Nelken mochte ich schon immer – vor allem die, die typisch duften und wie Kleinausgaben der »Blumenladen-Nelken« aussehen. Hier bietet die Riege der einander sehr ähnlichen Polster-Nelken Dianthus plumarius und Dianthus gratianopolitanus eine schöne Auswahl, die mir sogar ermöglicht, mein sich regendes Öko-Gewissen ein wenig zu beruhigen. Ich oute mich also hiermit als Liebhaber gefüllter Nelken – also solcher Sorten, bei denen Insekten leider nicht ungehindert in die Blütenröhre gucken können. Darum habe ich beschlossen, paritätisch für jede gefüllt blühende Nelke auch eine einfache Spielart zu pflanzen. Bei Rosen gehe ich übrigens ebenso vor. Alle anderen Pflanzen, außer Exoten wie Bougainvillie, Strelitzie, Oleander und Canna (bei denen ich das nicht genau überprüft habe), wird bereits beim Kauf streng nach Insekteneignung gefiltert. So summt und brummt es über dem Insektenbuffet unseres Dachgarten- bei einem Prozentsatz von etwa 85:15 zugunsten der fleißigen Pollen- und Nektarsammler.

Sehr effektiv sorgen dafür auch zwei nahe verwandte Arten, die (wenn man stets Verblühtes entfernt, klaro!) andauernd bis zum Frost blühen: Da wäre die schon ab Frühling Blüten zeigende Scabiosa columbaria, die Tauben-Skabiose mit ihrem kühlen Rosa oder Blauviolett. Sie passt einfach wunderbar zu allen langährig blühenden Pflanzen, und Schmetterlinge breiten besonders malerisch ihre Flügel auf den Blüten aus. Noch schicker finde ich die ab Ende Mai in Flor kommende schwarzrote Knautie, Knautia macedonica 'Mars Midget', deren Blüten etwas kleiner sind. Ich hatte sie mal neben eine schwarzrotlaubige, knallrot blühende Canna gestellt, beide mit der tomatenrot bühenden einfachen Rose 'Alexander von Humboldt' vergesellschaftet und war schwer begeistert! Nach der Teilung steht nun eine Knautie neben weißen Königs-Lilien – deren purpurfarbene Außenseite korrespondiert kongenial mit der Farbe der Knautienblüten, während die weißen Griffel der Knautie die Lilienfarbe flirrend-elegant aufnehmen.

Beim Spanischen Gänseblümchen ist nur der zungenbrecherische botanische Name Erigeron karvinskianus kompliziert – alles andere macht es zum Selbstläufer: Im Frühling pflanzen, sich an den feinen, rosig angehauchten weißen Gänseblümchenblüten-Körbchen freuen und den Dingen ihren Lauf lassen. Die Versamung der kleinen, hängenden, dauerblühenden Polsterpflanzen ist exzellent, ich entdecke sie in vielen anderen Gefäßen und sogar in besonnten Plattenfugen. Schmetterlinge und alle Bienenarten finden sie immer und sind begeistert. Sollte die Ausgangspflanze zu groß werden, verschenke ich sie, ich habe ja immer genug Nachwuchs.

Dass die Prachtkerze Gaura lindheimeri sich als Insektenmagnet empfiehlt, ist sicher allgemein bekannt. Die Blütezeit setzt im Hochsommer ein und endet mit dem ersten Frost. Ich habe mich für die neuere, kompakte, reinweiß blühende Sorte 'Whirling Butterflies' entschieden, rosa blühende Pflanzen habe wirklich genug. Ihre Blütenstände sind so feingestaltig, dass sie mir als Inbegriff sommerlicher Leichtigkeit gelten. Allerdings wachsen sie auch unterirdisch stark und lassen sich nicht besonders leicht teilen. Macht nichts, für sie finde ich immer einen größeren Topf.

Eine der verblüffendsten Entdeckungen war für mich Hosta plantaginea, die Lilien-Funkie. Ich erinnerte mich daran, wie mir Heike Gaißmayer vor vielen Jahren schilderte, dass sie beeindruckende Kübel mit diesen Pflanzen in Italien einst in voller Sonne bewunderte. Das könnte doch etwas für meine Hitzeterrasse sein! Gedacht, versucht: Mit der Sorte 'Royal Standard' probierte ich es aus. Die Pflanze hat schon im dritten Standjahr (mit stets moderat angepassten größeren Gefäßen) einen Auftritt der Extraklasse hingelegt: Über den glänzenden, frischgrünen Blättern öffneten sich Mitte Juli auf rund 90 Zentimeter langen Schäften weiße, lilienartige, stark und köstlich duftende Blüten über knapp sechs Wochen hinweg. Besonders Schwebfliegen fühlen sich von ihnen magisch angezogen. Aber das war längst nicht alles: Den ersten vier reich besetzten Schäften folgten zeitversetzt drei weitere – und mit ihnen eine bis Mitte September andauernde Blütezeitverlängerung. Wow! Jetzt habe ich gerade die kompaktere Sorte 'So Sweet' der gleichen Art neu gepflanzt und freue mich auf deren zartrosa Blüten über weiß gerandetem Laub. Und da es durch Brüstung ja doch ein bisschen Schatten gibt, ist die bezaubernde zierliche Hosta Hybride 'Kleiner Schelm' mit ihren satt lila Blüten über grünen Blättern ebenfalls bei mir eingezogen. Gerade bei Hosta gibt es sehr viel zu entdecken, und ich beschließe, diese Pflanzengattung ab jetzt nur als »Herzblattlilie« zu bezeichnen. Dieser Begriff ist zwar etwas aus der Mode gekommen, beschreibt aber meine neu erwachte Sympathie für diese Pflanzen überaus treffend.

»So, und nun könnt Ihr Euch entscheiden, welches Euer Herzblatt ist ...« – noch ein Zitat, allerdings aus einer Flirt-Show, die bis 2005 im TV flimmerte ...

Andreas Barlage
Lieblingspflanzen Andreas Barlage ist der Wandervogel unter den Gartenbesitzern. Weil er in seinem Leben viel umgezogen ist, hat er reichlich Erfahrungen an sehr unterschiedlichen Standorten sammeln können.
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Text: Andreas Barlage
Fotos: Staudengärtnerei Gaißmayer, Gerlinde Sachs