Duft in Weiß

Text: Christian Seiffert

Fotos: Christian Seiffert und Staudengärtnerei Gaißmayer

Im vorangehenden Beitrag wurde versucht, eine Beziehung zwischen Blütenfarben und Düften zu ergründen. So viel steht fest: Es gibt ein paar Bezüge, aber eine Theorie, gar eine wissenschaftliche, ist da nicht in Sicht.

Jetzt soll nun die Farbe Weiß einer Betrachtung unterzogen werden. Weiß ist die Farbe, die sämtliche anderen Farben des Sonnenlichtes reflektiert. Zusammengenommen ergeben diese Farben das Weiß. Zum Vergleich schluckt Schwarz das ganze Farbspektrum, auch das erwärmende Infrarot, so dass schwarze Gegenstände, schwarzer Boden sich schnell erwärmen. Das mag einer der Gründe sein, warum es keine schwarzblühenden Pflanzen gibt, mit Ausnahme jener aus Züchterhand.

Im Garten ist Weiß als Leuchtfanal und als Puffer zwischen anderen Farben unentbehrlich. Weiß begleitet uns vom Vorfrühling bis zum Spätherbst. Keine Zeit ohne Weiß! Es sei denn, man verwehrte ihm den Zutritt in den Garten. Zart beginnt es mit den Schneeglöckchen, und schon können wir die ersten Wohlgerüche wahrnehmen. Aber hier ist es wie bei anderen Farben auch: Eine feste Bindung zwischen Weiß und Duft sucht man vergeblich. Schon die weißen Buschwindröschen, obwohl sie meist großflächig in Erscheinung treten, verbreiten keinen Duft. Um in der Chronologie zu bleiben: Die Maiglöckchen überfluten uns dagegen mit ihrem köstlichen, frischen Frühlingsduft. Unter den Narzissen sind es die weißen, die Dichternarzissen, die mich am meisten entzücken. Bei der Obstblüte stolpern wir geradezu über eine Ungereimtheit. Pflaumen, Kirschen, Pfirsiche, Äpfel tragen durch ihre Düfte erheblich zu gehobener Frühlingsstimmung bei. Dann aber die Birne! Ein käsiger nicht gerade angenehmer Geruch ihrer Blüten. Ein Geruch, der im krassen Widerspruch zum Wohlgeschmack der Früchte steht. Und der kommt einem irgendwie bekannt vor. Richtig, der Weißdorn »stinkt« genauso, auch der Wollige Schneeball am Waldrand. Doch dieser Geruch ist nicht auf Gehölze beschränkt. Auch die schöne Wiesenmargerite lockt damit eine spezielle Kundschaft, spezielle Bestäuber an.

Zu Beginn des Frühsommers feiert Weiß mit der Robinienblüte einen Höhepunkt. Straßenzüge, ganze Stadtteile sind voll eines lieblichen Honigduftes. Auch der Garten in Jamlitz. Damit es aber nicht ins Kitschige umschlägt, steht dort seit 10 Jahren ein Knöterich, über den es einiges zu sagen gibt. Auf Deutsch »Johanniswolke«, wissenschaftlich noch nicht genau festgelegt Aconogonon spec. 'Johanniswolke' – ist diese Staude ein Naturwunder. Sie sieht aus als wüchse sie am liebsten im Sumpf. Schießt aber jährlich aus trockenem Sand empor, von April bis Juni über zwei Meter! Und dann blüht sie, natürlich weiß und sondert Gerüche ab, die mich sehr an meine landwirtschaftliche Lehrzeit erinnern. Die Blüten riechen nach Schweinestall, zum Glück nicht weitreichend.

Angemerkt sei aber, dass diese Solitärstaude vom Format eines großen Strauches auch nach der Blüte bis zum Spätherbst und auch im Winter sehr attraktiv aussieht, so dass man den »Schweinestall« gern in Kauf nimmt. (Die Johanniswolke hat sogar diesen Sommer schadlos überstanden!) Wenige Tage später beginnt die leider kurze Zeit der weißen Lilien: Lilium regale und Lilium candidum. Die Königslilie verströmt heftige Lieblichkeit, die allerdings bei einem »zu viel« umschlagen kann in einen leichten Pferdestallgeruch. Die Madonnenlilie dagegen ist die unübertroffene Königin der Wohlgerüche. Bei einer systematischen Dufterfassung erhielt ihr Duft die Attribute blumig-lieblich, würzig, herb und frisch.

Weiß ist immer auch die Leuchtfarbe der Nacht. Ein Restlicht vom Mond oder einer Laterne lässt es leuchten und reicht aus, um Nachtfalter anzulocken. Hinzu kommt ein intensiver Wohlgeruch, der den nächtlichen Aufenthalt im Garten zu einem großen Vergnügen werden lässt. Gedankt sei den Tabaken, Nicotiana sylvestris und N. alata, die beide die Nacht verschönern. Gedankt sei aber auch der Acker-Lichtnelke, Silene noctiflora, die tagsüber wie ein nichtssagendes Kräutlein am Wegesrand steht, aber am späten Nachmittag ihre weißen Blüten öffnet und dann die Nacht hindurch köstlich duftet.

Soweit diese winzige Auswahl an weißblühenden Pflanzen. Hunderte wären noch aufzuführen. Also stellen wir fest: auch beim Weiß ist keine eindeutige Beziehung zwischen Farbe und Duft festzustellen. Wohlgeruch, Duftlosigkeit und stinkende Blüten, all das hat die wohltuende Farbe Weiß zu bieten.

Christian Seiffert
aus Jamlitz und Eresing Seit 2001 experimentiert Christian Seiffert parallel in zwei geographisch weit auseinanderliegenden Gärten: in Oberbayern und in der Niederlausitz, im Land Brandenburg.
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Text: Christian Seiffert

Fotos: Christian Seiffert und Staudengärtnerei Gaißmayer