Hinterm Fingerhut geht’s weiter…

Text: Hubertus Albersmeier
Fotos: Ute Eckartz

Was war das für ein verschwenderisches, exzessives Frühjahr! Schon so ein bisschen unanständig schön, an so vielen Tagen pflegerisch wie gestalterisch im Garten unterwegs zu sein, weiß man doch, dass beide Tätigkeiten Endorphinduschen auslösen!

Just in time den Garten zu Pfingsten komplett aufgehübscht, keine Eisheiligenverluste trotz hohem Pokereinsatz, schöne Rhododendronblüte erlebt, Pfingstrosen etwas blühfaul mittlerweile, (die merken wohl, dass da weniger Bindungshormone fließen), das Fingerhut-Intermezzo der letzten Tage gi – gan – tisch!!! Was will man mehr?

Ein Gartenleben nach dem Fingerhut! Dieser Himmelsstürmer für etwa drei Wochen im Garten, überragt die Krautschicht, segmentiert die Strauchschicht vertikal, um sich mit nicht enden wollender Leuchtkraft, den sich noch und noch unermüdlich neu bildenden Spitzentriebblüten in der Baumschicht zu verlieren. Diesen Zauber initiiert zu haben, durch behutsames Verstupfen überzähliger Sämlinge an geeignete Standorte bzw. durch »kreatives Jäten« macht von Jahr zu Jahr glücklicher!

Bis nach einem Gewitterguss mit deutlichen Windböen! Dann müssen die nicht mehr Standfesten raus! Ein Fest für die Gartenbesucher der Fraktion: Nee, was für'ne Arbeit! Pi mal Daumen mäßig sind das wohl wirklich nicht wenige Schubkarren voll, aber bereits nach den ersten drei abgeräumten Fingerhüten wird's klar: War Zeit! Daneben und dahinter steht das Sommer- und Hochsommerensemble schon etwas beengt in den Startlöchern.

Die Standplätze Einzelstehender findet man anderntags schon nicht mehr wieder, so schnell wirft sich die umstehende Vegetation darüber. Entfernte Gruppen hinterlassen angenehmerweise mal ein bis zwei Meter offenen Boden für »Asylsuchende«: Hier eine schöne Kübelpflanze in Sommerfrische, da das reizende Mitbringsel der Gartenfreunde aus Holland. Grad so, wie es passt.

Spätestens bei der zweiten Schubkarre wird dann auch die Arbeit des Abräumens zur genussvollen Meditation. In meiner Vorstellung durchlebe ich die Entwicklung der Nachbarpflanzen, treffe (milde) Entscheidungen zur Lenkung der Vegetation, entspitze hier zur Blühverspätung, dünge dort den nimmersatten Rittersporn nach, grenze ein, rette, fördere, jäte, lockere ... und gehe nach einer halben Stunde selbstvergessen zur vollen Karre zurück, bringe diese weg – und im Wiederkommen zeigt sich mir eine Beetsituation von so ebenmäßiger Schönheit und vollkommender Harmonie, dass ich schier verrückt werden möchte!

Die dritte Karre fülle ich direkt wie im Rausch, komme irgendwann unpünktlich zum Mittagessen, mache nach der Mittagspause weiter bis zum Abend, ziehe das Tor zu und lasse einen letzten, überheblich-selbstzufriedenen Blick schweifen! Fingerhut würde das Gartenbild hier jetzt echt stören! Gut, dass er weg ist!

 

Hubertus Albersmeier
... im Lippetaler Bördeboden gut auf- und eingewachsen. Nach jugendlichen Ausflügen in die Autoschrauber- Szene widmet er sich beständig und mit nicht nachlassender Euphorie der Gartenkultur. Nicht zurückschreckend vor hohen Leitern und gefährlich...
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Text: Hubertus Albersmeier
Fotos: Ute Eckartz