Monocarpes im Garten

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Es vergingen wohl 4 Jahre, bis der griechische Sesel, auch Grauer Bergfenchel oder Mondkarotte genannt, endlich, 2016, Anstalten machte blühen zu wollen. Was entwickelte sich da auf einmal für eine bizarr-schöne Pflanze. Eine Skulptur, wie aus Kalkstein gemeißelt. Die großen Blütenteller hielten lange und setzten schließlich unendlich viele Samen an. Die reiche Ernte konnte ich verschenken. Die erhoffte Nachzucht allerdings blieb aus, die Samen waren nicht sehr keimwillig. Wäre nicht ein Pflänzchen genau dort aufgegangen, wo die Mutterpflanze stand, hätte die Seseli gummiferum-Episode nach vier Jahren ein Ende gefunden. Denn eins muss man bei dieser Pflanze wissen: Ihr ganzes 3 bis 5 Jahre dauerndes Leben endet nach der Samenbildung. Sie blüht nur einmal, nachdem sie über Jahre Substanz aufbaute, Kraft sammelte für die generative Vermehrung am Ende. Als monocarpisch bezeichnet die Wissenschaft Pflanzen, die sich solch einer Lebensart befleißigen. Monocarpisch heißt übersetzt »einmal fruchtend«. Aber die Geschichte geht weiter. Dieses Jahr wird die Tochter blühen. Weil sie mir so kostbar ist, habe ich sie dort wachsen lassen, wo sie stand, obwohl sie sich nun so weit auf den Weg hinauslehnt, dass der Gehbereich verlegt werden musste. Für solch eine Pflanze muss man Opfer bringen!

Seseli gummiferum ist ein Doldenblütler aus der Familie der Apiaceae, in der Monocarpie nur selten vorkommt. Ganz anders sieht es bei verschiedenen Sukkulentenfamilien aus, die oft Jahrzehnte große Rosetten aufbauen, um dann schließlich doch zu blühen. Ein Beispiel ist die Sisal-Agave, die plantagenmäßig angebaut wird. Ab einem bestimmten Alter werden immer die untersten Riesenblätter geerntet, deren Fasern zu Tauen, Schnüren und Teppichen verarbeitet werden. Was den Botaniker und den Touristen erfreut und erstaunt, nämlich der bis 6 m hohe Blütenstamm, ist für den Bauern ein Ärgernis, deutet es doch auf ein baldiges Ende der Plantage hin.

Anfang Juli in Jamlitz: Noch blühen letzte Zistrosen. Gerade beginnen die Madonnenlilien. Was aber massiv auffällt, das sind riesige gelbe Flächen, an erster Stelle von Mauerpfeffer (Sedum acer), gefolgt vom Gelb der Tripmadam (Sedum rupestre). In gleicher Weise hat sich Sedum album ausgebreitet und blüht gerade üppig. Leider ist der Aurorafalter nicht mit nach Jamlitz gefolgt. Dort hätten seine Raupen reiche Nahrung. Soweit diese erste Sedum-Phase. Die zweite mit den höheren Sedum-Arten folgt von August bis Oktober. Der Jamlitzer Garten ist ein Sedum-Garten. Das heißt, nicht nur. Auch andere Sukkulente fühlen sich dort wohl. In und auf den Granitmauern bilden verschiedene Sempervivum-Arten und -Sorten reiche von Jahr zu Jahr wachsende Polster. In den vergangenen Jahren blühten sie vereinzelt mal hier mal dort. In diesem Jahr aber spielt sich ein Großereignis ab. Eine der großrosettigen Sorten hat den Drang, in Masse zu blühen. Das ist ein wirklich bemerkenswertes Schauspiel, handelt es sich bei Sempervivum doch auch um monocarpe Pflanzen. Nach der aufregenden Blüte und der hoffentlich reichen Samenbildung wird es viele Leerstellen in den Polstern geben, die geblühten Exemplare sterben ab, wie die Sisal-Agaven. Aber was mag die Ursache dieses Massenblühens sein? Ist es ein inneres genetisch programmiertes Kommando, ähnlich wie bei Bambus? Oder handelt es sich um eine Reaktion auf bestimmte Klima- oder Witterungsereignisse?

Christian Seiffert
aus Jamlitz und Eresing Seit 2001 experimentiert Christian Seiffert parallel in zwei geographisch weit auseinanderliegenden Gärten: in Oberbayern und in der Niederlausitz, im Land Brandenburg.
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Text und Fotos: Christian Seiffert