Über die Un-Bei-Kräuter

Text: Christian Seiffert
Fotos: Staudengärtnerei Gaißmayer

Eine sprach-streitbare Zeit ist das, in der wir leben. Als ob es nichts Wichtigeres gäbe. Das Wort »Unkraut« ist heute so verpönt, wie »Indianer« oder »Zigeuner«. Das Wort »Beikraut« aber verharmlost ärgerliche Pflanzen, »Unkraut« macht sie zu Monstern. Dennoch, beide Bezeichnungen sind berechtigt, es hängt nur davon ab, wer sie in welcher Situation verwendet.

Die Erfindung des Unkrautes

Doch egal, ob Bei- oder Unkraut, sie sind eine Erfindung des Garten- und Ackerbaues. Sie existieren, seit der Mensch Pflanzen in offenen Boden pflanzt oder sät. Sie existierten natürlich vorher auch schon, nur waren sie eingebettet in eine vielseitige Wald- oder Steppenwelt. Offenen Boden haben sie immer schnell besiedelt. Der entstand beispielsweise durch Vulkanausbrüche oder Erdrutsche oder ganz harmlos durch die Wühlerei von Fuchs oder Kaninchen. Dann aber, mit Beginn des Acker- und Gartenbaues, stellte der Mensch diesen Kräutern großzügig Lebensraum zur Verfügung. Im Alten Testament heißt es »verflucht sei dein Acker (...) Dornen und Disteln soll er dir tragen«. Wenn man es so nimmt, dann haben die alten Juden die Vertreibung aus dem Paradies mit dem sesshaft Werden und dem Beginn des Ackerbaues gleichgesetzt.

Kampf oder Können

Nun haben wir die Bescherung. Kein Gartenbeet, kein Ackerland ohne Unkraut. Aber ist das wirklich so? Sieht man sich heute Getreidefelder an, so erschreckt der geputzte Bestand, die völlige Freiheit von »Unkräutern«. So etwas ist nur durch den Einsatz von Herbiziden möglich. Welche verheerende Wirkung dies für die Umwelt hat, ist uns nicht neu.

Wie aber sind eigentlich die Bauern früher mit dem Unkraut fertig geworden? Nun, ihr Problem war nie die totale Beseitigung der Konkurrenten. Sie lebten mit den »Beikräutern«, begrenzten ihre Vermehrungsfreude aber durch ackerbauliche Kunstgriffe. Sie wussten, dass verschiedene Ackerkulturen verschiedene Beikräuter beherbergen. Sie betrieben einen intensiven Fruchtwechsel, bauten Winter- und Sommergetreide an, Hackfrucht löste das Getreide ab. Hackfrüchte, das waren Kartoffeln und Rüben. Wenn nicht Zuckerrüben, dann Kohlrüben oder Runkelrüben. Sie hießen Hackfrüchte, weil sie im Laufe ihrer Kultur mehrmals gehackt und angehäufelt wurden. Trotzdem wuchsen dazwischen ganz spezielle Beikräuter, die sog. Hackfruchtunkräuter. Wer Gemüse anbaut, ist mit ihnen vertraut, es sei nur an das Franzosenkraut oder Melden erinnert. Ackerflächen, die im Herbst bestellt werden (Winterroggen, Wintergerste, Weizen) haben eine andere Begleitflora als die Hackfrüchte, die erst im April in den Boden kommen. Das Sommergetreide (Sommergerste, Hafer, Bestellung Ende März) nimmt eine Zwischenstellung ein. Häufiger Fruchtwechsel, ergänzt durch den Anbau von Gründüngung war und ist die sicherste Methode, der Begleitflora Herr zu werden. Für die Bauern wird Beikraut erst Unkraut, wenn es merklich den Ertrag mindert. Der Aufwand seiner Bekämpfung muss also ein vernünftiges Verhältnis zum Ertrag haben.

Verdächtig, ein Garten ohne Unkraut

Und nun der Garten: Hier geht es nicht um hohe Erträge sondern meistens ums Ästhetische. Unkraut ist »eine Pflanze am falschen Platz«, sagte der Stauden-Hansen. Wenn ich die unzähligen Feldsalatpflänzchen zwischen den Stauden betrachte, muss ich an diesen weisen Spruch denken. Was hier hilft: Ernten und verspeisen bevor der Salat wieder blüht und Samen ausstreut. Ernten und essen ist überhaupt eine gute Methode um mit einigen Bei- bzw. Unkräutern fertig zu werden. Löwenzahn ist bei uns im Garten rar, weil er in den Frühlingssalat kommt. Junge Gierschblätter schmecken angenehm karottig. Und wenn man sie fleißig erntet, besteht sogar die Chance, dass der Giersch den Kampf aufgibt. Doch Spaß beiseite. Während Giersch in der Natur, in Gesellschaft von Pflanzen gleicher Ansprüche eine liebenswerte Staude ist, kann er im Garten zum Unkraut-Monster werden. Dasselbe gilt für andere Unkraut-Stauden, wie Winden und vor allem Quecken. Hier hilft nur systematisches Graben und das Entfernen aller Wurzeln. Ein übriggebliebenes Fitzelchen lässt das Unheil von vorn beginnen. Auch können Gehölze zum Unkraut, zur Pflanze am falschen Platz werden. Eschen, Ahorne, Kiefern lassen sich aber leicht aus dem Boden ziehen, wenn man sie beizeiten entdeckt. Zwischen Beetstauden können Hackfruchtunkräuter aufkommen, vor allem wenn mit Kompost gedüngt wird. Das passiert leicht bei neuen Pflanzungen. Später verhindern die sich ausbreitenden Stauden Schlimmeres. Beim Rasen gehen die Ansichten deutlich auseinander. Für den Liebhaber »englischen Rasens« ist jede Nichtgras-Pflanze ein zu bekämpfendes Unkraut. Wer einen bunten Gebrauchsrasen schätzt, für den sind Weißklee, Günsel, Himmelschlüsseln, Löwenzahn usw. usf. liebenswerte Beikräuter.

Christian Seiffert
aus Jamlitz und Eresing Seit 2001 experimentiert Christian Seiffert parallel in zwei geographisch weit auseinanderliegenden Gärten: in Oberbayern und in der Niederlausitz, im Land Brandenburg.
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Text: Christian Seiffert
Fotos: Staudengärtnerei Gaißmayer