Umgestaltungspanik

Text: Christian Seiffert
Foto Primula vulgaris sibthorpii: Christian Seiffert
Fotos: Staudengärtnerei Gaißmayer

38 Jahre ist der Garten alt. Der Grundriss ist noch immer der ursprüngliche. Jetzt müsste der Garten erneuert werden. Leider kann sich der Gärtner nicht auch erneuern, und so gerät er beim Nachdenken über eine Neugestaltung in eine gewisser Panik. Erneuern, das sollen die Erben oder Käufer dieses Areals. Sollen die machen, was sie wollen. Und doch schmerzt diese Vorstellung. Das Schlimmste ist die Vernichtung von Pflanzenschätzen aus Unkenntnis. Manche Kostbarkeit erklärt der Unkundige zum Unkraut, weil er sie nicht blühend gesehen hat. So musste ich vor Jahren erleben, wie in der Nachbarschaft ein ganzer Terrassenhang mit Asphodeline lutea, deutsch Junkerlilie, entsorgt wurde, um Platz für ein paar mickrige Rosen zu schaffen (ich kam zu spät!). Panik, wenn ich an die diversen, zeitweilig unsichtbaren Cyclamen denke, oder an die Eranthis-Flächen, vielleicht umgegraben für einen Rasen. Welcher Neuling weiß im Herbst, dass er gerade einen Leucojum-Bestand umbricht?

Aber das ist Zukunft. Gegenwart bedeutet Veränderungen, die einen selber zum schnellen »Umräumen« zwingen. Und das ist schlimm genug. Es sind Gehölze, die zu solchen ungeliebten Aktionen veranlassen. Es sind eigene Gehölze und die der Nachbarn, die unbarmherzig das direkte Sonnenlicht reduzieren. Und wenn der Buchszünsler, auch unbarmherzig, tonangebende Buchsgestalten vernichtet hat, was dann? Dann wäre eine konsequente Umgestaltung angebracht.


Das ist ja nicht nur mit Schrecknissen verbunden. Manche Stauden, durch teilen verjüngt an einem neuen Platz, sind wieder eine Augenweide. Den Karnevalsprimeln, Primula vulgaris sibthorpii, ist es, weil die Eibe an Umfang zugenommen hat, zu dunkel geworden. Jetzt stehen sie unter dem frühlingslichten Apfelbaum in Gesellschaft von Schneeglöckchen und Stinkendem Nieswurz, Helleborus foetidus. Alles nur Frühling? Ja sicher, aber danach kommen Taglilien, »Sammy Russell« und der unverwüstliche Bärenklau, Acanthus balcanicus, beide dann im Halbschatten.

Umgestalten? Das ist nötig, wo Stauden stehen, die man nicht verpflanzen möchte, die aber umgeben und bedrängt sind von kurzlebigeren Wesen. Und da sind Partien im Garten, die nie gelungen sind. Seit Jahren Experimentierfelder, mal mit Wunschvorstellungen bepflanzt, die vorübergehend erfreuen, die sich aber bald als fehl am Platze erwiesen oder sich mit ihren Nachbarn nicht vertragen wollten. Immer wieder ergänzt, dann verkrautet. Und dann fehlen Mut und Tatkraft, die ganze Problemzone aufzunehmen, den Boden zu erneuern und etwas ganz Neues zu beginnen. Dabei tauchen unerwartete Probleme auf. Erstens: Wann ist die beste Zeit dafür? Zweitens: Wohin mit den Pflanzen, die ja irgendwo untergebracht werden müssen? Verschenken? Im Einschlag provisorisch am Leben erhalten? An einem anderen Platz unterbringen? Aber dann geht auch dort das Umräumen los. Verjüngt an der gleichen Stelle wieder einsetzen? Oder gar kompostieren? Das löst Schmerzen aus, denn jede Pflanze hat ihre Geschichte und ist einem gewissermaßen ans Herz gewachsen.


Und trotzdem: Die Zähne zusammenbeißen, Mut aufbringen. Am besten geschieht das jetzt im Frühjahr. Da kann man die Zwiebelpflanzen verlustfrei ausgraben, weil man sieht, wo sie stehen. Stauden wachsen geteilt zügig weiter, nur für die Schwertlilien wäre die Zeit nach ihrer Blüte besser. Den hemmungslosen Wildgräsern, dem maßlosen Seifenkraut kann nun endlich mal gründlich Widerstand geleistet werden. Einen schönen Anlass für die Umgestaltung gibt es auch: Die Zistrose 'Belle de jour', noch unter Glas, braucht einen angemessenen Platz.

Christian Seiffert
aus Jamlitz und Eresing Seit 2001 experimentiert Christian Seiffert parallel in zwei geographisch weit auseinanderliegenden Gärten: in Oberbayern und in der Niederlausitz, im Land Brandenburg.
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Text: Christian Seiffert
Foto Primula vulgaris sibthorpii: Christian Seiffert
Fotos: Staudengärtnerei Gaißmayer