Vom Baum der Weisheit

Text: Antje Peters-Reimann

Foto 1: Quelle: Wikimedia Commons: Fagus sylvatica von Jean-Pol GRANDMONT
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Fagus_sylvatica_JPG2a.jpg

Foto 2: Quelle Wikimedia Commons: Opengebarsten vrucht van beuk (Fagus sylvatica) von Dominicus Johannes Bergsma
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Opengebarsten_vrucht_van_beuk_(Fagus_sylvatica)_(d.j.b.)_04.jpg

Die Rotbuche (Fagus sylvatica) ist der Baum des Jahres 2022, und es gibt viele spannende Geschichten über sie zu erzählen!

Auf dem Olymp, dem heiligen Berg der alten Griechen, sollen in mythischer Vorzeit Buchenbäume gewachsen sein – auf ihnen hausten Eulen, die das Sinnbild der Göttin Athene waren. Da diese als Göttin der Weisheit galt, wurde die Buche als Symbol des Wissens und der Weisheit angesehen. Der Göttervater der Römer, Jupiter, wurde in Heiligtümern aus Buchenbäumen verehrt, ebenso wie die Jagd- und Waldgöttin Diana. Auch bei unseren keltischen Vorfahren wurde der Buche große Ehre erwiesen – sie sahen in dem schönen Baum den Gott Fagus, von dem die Buche ihren botanischen Namen erhalten hat. Da die Buche von den Kelten als Wunschbaum angesehen wurde, schnitten sie Y-förmige Buchenstäbe ab, schrieben ihre Wünsche darauf und banden sie in der Hoffnung auf Erfüllung wieder an die Buchenbäume. Sie waren der festen Überzeugung, dass Feen kommen, die Wünsche sammeln und zur Feenkönigin bringen würden, damit diese sie dann erfülle.

In Rumänien verehrte man die Buche als Sinnbild der Fruchtbarkeit, und so war es üblich, sein Vieh unter Buchenbäumen weiden zu lassen, damit es zahlreichen Nachwuchs haben würde. Auch sahen viele Völker die Buche als Zeichen der Mütterlichkeit und Geborgenheit an. So soll noch im 18. Jahrhundert in Westfalen der Glaube verbreitet gewesen sein, Babys kämen aus einem hohlen Buchenbaum. Zu Weihnachten spielt in Schweden und England ein sagenumwobenes Buchenscheit eine große Rolle, in Schweden »Julblock« genannt. An Weihnachten wird ein dicker Klotz aus Buchenholz ins Kaminfeuer gelegt. Die Asche des verbrannten Holzes sammelt man, um sie an Neujahr als Segensbringer auf den Äckern auszustreuen.

Sicher kennen Sie die alte Volksweisheit »vor Eichen sollst du weichen, Buchen sollst du suchen«. Sie geht auf den weit verbreiteten Volksglauben zurück, dass Blitze nicht in Buchen einschlagen würden. Doch dem ist keineswegs so – da Blitze meist hohe Bäume treffen, tut man gut daran, bei Gewitter reichlich Abstand zu den vermeintlich schützenden Buchen zu halten, vor allem den großen Exemplaren!

Unsere Vorfahren trauten Buchen allerhand Magisches zu. So füllte man in Frankreich noch im 19. Jahrhundert Buchenblätter in Matratzen – wer darauf schlief, sollte sich vor dem Einschlafen eine Frage stellen – im Schlaf würde er dann eine Antwort darauf erhalten, waren sich die Menschen sicher. Und dass man den eigenen Namen in die Rinde einer Buche schnitzt, ist ebenfalls ein alter Brauch.

Wussten Sie, dass kein anderer Baum so häufig in Ortsnamen seinen Niederschlag gefunden hat wie die Buche? Buchlohe, Buch, Buchholz, Schönenbuch – die Liste ließe sich noch lange fortsetzen, denn über 1.500 Ortschaften tragen die stolze Buche in ihrem Namen! Nicht einmal die Eiche macht ihr diesen Rang streitig. Und auch unser deutsches Wort »Buch« geht auf die Buche zurück. Denn in Anlehnung an die Wachstäfelchen, auf denen die Römer ihr Wissen aufschrieben, band man in späteren Zeiten dünne Täfelchen aus Buchenholz zusammen und beschriftete sie – ähnlich wie Pergament und später das Papier! Übrigens soll sich Goethe beim Besuch des Straßburger Münsters an einen mächtigen Buchenwald mit seinen nach oben strebenden Baumkronen erinnert gefühlt haben. Und in der Tat, wer heute die Stille eines Buchenwaldes durchwandert, kann sich an die großen Kathedralen in Spanien, Frankreich oder Deutschland erinnert fühlen: Sehen diese Gotteshäuser mit ihren hohen, nach oben strebenden Säulen und Bogenfenstern nicht aus wie ein zu Stein gewordener Wald?

 

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Antje Peters-Reimann
Antje Peters-Reimann ist Gartenhistorikerin und Journalistin in Essen. Sie hat sich der Geschichte der Gartenkunst verschrieben und berichtet berichtet über bekannte und unbekannte Gärten und ihre Schöpfer und erzählt spannende »grüne Geschichten«!...
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Text: Antje Peters-Reimann

Foto 1: Quelle: Wikimedia Commons: Fagus sylvatica von Jean-Pol GRANDMONT
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Foto 2: Quelle Wikimedia Commons: Opengebarsten vrucht van beuk (Fagus sylvatica) von Dominicus Johannes Bergsma
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