Zu kalt, zu nass

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Heute, am 11. Mai 2023 regnet es in Eresing ununterbrochen. Dabei ist es sehr kühl, der Boden klatschnass. An Gartenarbeit, die dringend erforderlich wäre, ist nicht zu denken. Was spielt sich da ab beim Wetter? Üblicher Weise zeichnete sich das mittel- und westeuropäische Wetter durch einen Wechsel zwischen sonnig/warm und kühl/feucht aus. Aber wir sind dieses Jahr schon dreimal um die Sonne betrogen worden. War es nicht immer so, dass Ende Februar ein paar milde, sonnige Tage den Frühling erahnen ließen? Und sorgte die letzte Märzdekade nicht gewöhnlich bei Sonnenschein und Wärme für die Blüte von Weiden und Forsythien? Sind nicht sonst Anfang Mai Schwärme von Bienen in der Obstblüte unterwegs, Nektar zu sammeln und zu bestäuben? Diese warmen Hochdruckperioden, fielen sie einfach aus? Dabei muss ich zugleich an Spanien denken, das in diesem Jahr unter extremer Hitze und brennender Sonne leidet, seit Monaten! Hängt beides miteinander zusammen? Zweifellos! Das Witterungsgeschehen macht einen festgefahrenen Eindruck. Das Spiel der Hochs und Tiefs ist gebremst. Aber auch das gehört zum Klimawandel: Monate mit unterdurchschnittlichen Temperaturen. Woanders brennen die Wälder, verdorren die Felder.

Und im Garten?

Es gibt Gewinner, aber auch Verlierer. Bemerkenswert ist, wie die fehlende Sonne die Anzucht unter Glas bremst. Durch die Scheiben kommt ohnehin zu wenig UV-Strahlung – und nun noch weniger. Die Tomaten kommen nur langsam voran. An Gemüseaussaaten ist nicht zu denken. Sensationell, das heißt kaum zu bewältigen, ist die Masse an kurzlebigen Gräsern im ganzen Garten. Zum Glück lassen sie sich leicht herausziehen, aber ich scheue mich, den triefend nassen Boden zu belasten. Vielversprechend sehen die hohen Phloxe nach den reichlichen Niederschlägen aus. Sie haben besonders üppiges Blattwerk entwickelt. Hoffentlich blühen sie auch entsprechend. Zu den Gewinnern muss man unbedingt die Süßdolden, Myrrhis odorata rechnen. Ich kann mich nicht erinnern, dass sie schon einmal so prächtig geblüht haben. Die Feuchtigkeit scheinen auch die Indianernesseln (Monarda) und der Nesselkönig (Lamium orvala) zu genießen. Die zeitigen Primeln, deren Blattwerk nach der Blüte oft fast verschwindet, haben jetzt große Blätter und können Energien sammeln für die Blüte im nächsten Jahr. Besonders erfreulich ist die beachtliche Zahl an gesunden Akeleien, Aquilegia vulgaris und A. atrata. Ich hatte ja die Akeleien schon fast abgeschrieben, und auch jetzt finde ich noch ein paar kranke mit hellem Laub, die nicht vom Boden hoch kommen. Aber die Masse ist gesund und wird in wenigen Tagen blühen.

Sehr enttäuschten bis jetzt alle Iris barbata. Die mittelfrühen, halbhohen Schwertlilien blühten fast gar nicht, die hohen zeigen noch keine Knospen, bis auf Iris pallida, die unbeeindruckt vom Wetter gut angesetzt hat. Im Unterschied zu diesen »heißblütigen« mediterranen Wesen scheint die kühl/nasse Witterung den Arten mit »Wiesencharakter« außerordentlich zu gefallen. Die hier am Ammersee heimische Iris sibirica treibt prächtig und auch die Pflaumeniris (Iris graminea) sieht vielversprechend aus. Insgesamt ist der Garten sehr grün. Die Gehölze treiben ungewohnt stark aus. Auch die bislang vom Zünsler unbehelligt gebliebenen Buchse strotzen vor Kraft, müssten dringend geschnitten werden. Jetzt aber braucht es Sonne! Die Wildpäonien (Paeonia officinalis) zeigen Farbe, wollen endlich blühen.

Christian Seiffert
aus Jamlitz und Eresing Seit 2001 experimentiert Christian Seiffert parallel in zwei geographisch weit auseinanderliegenden Gärten: in Oberbayern und in der Niederlausitz, im Land Brandenburg.
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Text und Fotos: Christian Seiffert