Zu den großen landschaftsübergreifenden Düften gehört der Heuduft.
Gehört oder gehörte? Wenn es heute nicht mehr ganz so intensiv zugeht auf den Wiesen, so hat das mehrere Gründe.

Erstens wird ein Großteil des Wiesenschnitts siliert. Das Gras wird nur angewelkt und kommt dann in den Silo. Unter Luftabschluss findet im Silo eine Milchsäuregärung statt, ähnlich wie beim Sauerkraut. Die Gerüche dabei sind eigentlich nicht unangenehm, es sei denn, die Silage wurde nicht fest genug abgedeckt und es ist Luft herangekommen. Dann fault das Material und stinkt schrecklich.

Zweitens werden die Wiesen stark gedüngt. Der hohe Viehbesatz sorgt für sehr viel Gülle. Zusätzlich wird noch eine Menge Mineral-Volldünger ausgebracht. Beides zusammen fördert einige typische Stauden und Gräser, z. B. den Löwenzahn, er ist Anfang Mai nicht zu übersehen. 14 Tage später blühen Wiesenkerbel und Hahnenfuß oft flächendeckend. Gefördert werden außerdem Gräser mit Massenwuchs, wie Knaulgras, Wiesenfuchsschwanz und Goldhafer.

Die Folgen ihres üppigen Wachstums: Die ursprünglich vorhandenen schwach wachsenden Gräser und die vielen typischen Wiesenkräuter werden verdrängt. Sie aber haben dem Heu einst den berühmten und typischen Geruch verliehen.

Zum Beispiel Ruchgras

Eine besondere Geruchsnote verlieh das Ruchgras, Anthoxanthum odoratum, dem Heu. Aber wirklich erst dem Heu. Denn sein Cumaringeruch bildet sich erst beim Trocknen. Das kennen wir auch vom Waldmeister, der frisch nicht duftet. Man könnte sagen, dass das Heu armer Bauern besonders gut roch, denn Ruchgras wächst vor allem auf magersten Standorten. Trockenheit schadet ihm nicht, aber auch Nässe hält es aus. Und so kommt es von der Küste bis zu den Alpen vor, wenn der Boden nur kalkfrei oder kalkarm ist. Wird aber gedüngt, dann verschwindet es. Als Futtergras ist es unbrauchbar, ja Weidevieh meidet es sogar, wahrscheinlich wegen seines Cumaringeschmacks. Seine kleinen, blattarmen Hoste blühen sehr früh, so dass beim normalen Heuschnitt nur noch strohige Reste geerntet werden.

Ruchgras im Garten?

Anthoxanthum odoratum gehört gewiss nicht zu den attraktiven Gräsern. Aber seine übertriebene Bescheidenheit gleicht es mit dem Duft aus. Da sein Duft – wie schon gesagt – aber nur beim Trocknen entsteht, muss es geerntet werden, man muss die Blätter schneiden und im Schatten trocknen. Wer damit Duftkissen füllen will oder für andere Zwecke größere Mengen braucht, der sollte Ruchgras in Reihen anbauen und dafür sorgen, dass es nicht verunkrautet. Früher hat man Getränke damit gewürzt, ja es kam sogar in den Schnupftabak. Was gewiss nicht ungefährlich war, denn Cumarin ist in größeren Mengen schädlich, (Rattengift!).

Die Horste des Ruchgrases sind nicht sehr winterhart. Aber es samt sich aus, wenn auch schwach. Schwierig ist es, seinen Ansprüchen an einen nährstoffarmen und kalkfreien Boden gerecht zu werden. Wo soll man den hernehmen im Garten?

Und ein zweites heimisches Duftgras

Hiërochloë odorata ist ein schier unaussprechlicher Kunstname aus dem 18. Jahrhundert. Dabei handelt es sich um das bei uns gar nicht so seltene Mariengras, das auch Heiliggras genannt wurde. Der botanische Name Hiërochloë ist nichts weiter als die Übersetzung von Heiliggras ins Griechische.

Das Mariengras oder Heiliggras streute man an Festtagen vor den Kirchentüren aus. Das trocknende Gras verströmte dann wie das Ruchgras einen intensiven Cumaringeruch.

Vorsicht bei Verwendung im Garten!

Das Mariengras wächst im Unterschied zum Ruchgras auch auf guten Gartenböden. Und es gedeiht nicht nur, sondern wuchert ähnlich den Quecken mit Hilfe unterirdischer Ausläufer. Man braucht also viel Platz für dieses Gras, damit es sich »austoben« kann.

In der Natur wächst es auf wechselfeuchten bis nassen und moorigen Wiesen. Dort steht es in Gemeinschaft mit anderen Gräsern und Kräutern, die es im Zaume halten. Isoliert man aber einen solchen Wucherer, dann zeigt er seine Hemmungslosigkeit. Ein Musterbeispiel ist der Giersch, eines der unangenehmsten Gartenunkräuter. In der Natur ist er zahm wie ein Lamm. Auch das Mariengras wurde und wird (?) vielfach zum Würzen, Parfümieren und Räuchern verwendet.

Welchen Sinn haben Düfte?

Während der Evolution erweisen sich bestimmte erworbene Eigenschaften als nützlich und werden weiter vererbt. Der Duftstoff Cumarin scheint einige Gräser vor zu starkem Verbiss zu schützen. Viele Aromapflanzen schützen sich vermutlich ebenso, wenn sich auch immer Spezialisten finden, die dann doch davon fressen, (z.B. Schwalbenschwanzraupen an Dill, Kümmel und Weinraute).

Die meisten Blütenpflanzen locken durch Düfte ihre Bestäuber an. Was aber soll man sagen, wenn Windbestäuber, wie es ja Gräser im Allgemeinen sind, einen Blütenduft ausschicken? Der reine Luxus! Solch ein Luxuswesen ist das Tautropfengras.

Ein Gartengras hoher Qualität

Sporobolus heterolepis ist eine Präriepflanze, die zwischen Mexiko und Kanada in ungestörter Natur vorkommt. Es bildet dichte kleine Horste mit schmalen, glänzend grünen Blättern. Aus den Horsten wachsen bis 60 cm hohe Halme hervor, die im Spätsommer hübsche silbrige Rispen tragen. Die große Überraschung: Die Blüten duften und zwar ziemlich intensiv. Der Duft erinnert stark an den des rosa Springkrauts. Manchen mag es auch an parfümiertes Pril erinnern – künstliches Apfelaroma!

Das Tautropfengras eignet sich als Tiefwurzler hervorragend für trockene Standorte. Es liebt Wärme und Sonne, vermag aber auch im Halbschatten zu leben. Bewundernswert ist seine enorme Winterhärte.

Als Nachbarn sind trockenheitsverträgliche Präriestauden das Naheliegende, etwa Kokardenblumen, zierliche Goldruten wie Solidago caesia oder die zierlicheblau blühende Binsenlilie Sisyrinchium angustifolium. Zweifellos passen auch trockenheitsliebende Altweltstauden dazu, wie Wild-Tulpen, Bart-Iris oder Goldhaar-Astern.

Auf Sorten achten!

Die Staudengärtner bemühen sich um interessante Auslesen, die den Gartenwert von Sporobolus heterolepis noch erhöhen. 'Cloud' bringt rötliche Halme hervor und inszeniert sich dadurch besonders eindrucksvoll – v. a. im Herbst wenn sich die Blätter ockergelb verfärben!

Übrigens, auch unsere Nutzgräser sind nicht frei von Duft: Blühende Weizenfelder können einen angenehmen süßlichen Duft haben. Und blühender Mais riecht intensiv eben nach Mais.


Text von Christian Seiffert