Der Erde so nah – Mensch, Natur und Kunst
Text: Corinna Kuhn
Fotos: K&K Kelbassa’s Panoptikum
Foto: Doppelporträt: Brigitte Mampe, Oberhausen
Foto: K&K Figurenstelen (Detail): Martin Traub
Eine Ausstellung mit Objekten von K&K Kelbassa's Panoptikum
im Schaugarten der Staudengärtnerei Gaissmayer
K&K Kelbassa's Panoptikum
das sind: Detlef Kelbassa & Corinna Kuhn
- zwei Ruhrgebietspflanzen, seit 2000 gemeinsame Arbeit als »Kelbassa'sPanoptikum«
- grafischeWurzeln, fotografische Exkursionen, kunsthistorischePrägung, botanische Quereinsteiger und Pilzliebhaber
- »bevölkern« zur Zeit einen alten Garten
Projekte (Auswahl)
2006 Düsseldorf, Botanischer Garten WUNDERSAME Entdeckungen zwischen Kunst und Natur.
2009 Oberhausen, Haus Ripshorst WUNDERSAME. Auf vergessenen Schleichwegen der Botanik.
2013 Bodensee, Insel Mainau verwunschen und verzaubert. Themengärten.
(Teilnahme mit »Berserkerpflanze« und »Drachenzähnen«)
2013 Oberhausen, Haus Ripshorst Refugien der Anarchie. Beobachtungen an den Rändern von Haus Ripshorst.
2014 Landschaftspark Duisburg-Nord, ehem. Erzbunker 2-5 Kunst.Werk 2014 – Kelbassa's Panoptikum: REFUGIEN II. Von den Beziehungsgef(l)echten zwischen Mensch und Natur.
2016 Wien, Gemäldegalerie der Akademie der Künste: Natur auf Abwegen? Mischwesen, Gnome und Monster (nicht nur) bei Hieronymus Bosch (Teilnahme mit dem Objekt »Schattenfüßer«)
2018 Duisburg, Kunstraum SG1 Die Animismus-Vorstellungen des westlichen Ruhrgebiets am Beispiel der wiederentdeckten Traumtagebücher des blauen Nähkästchens.
2019 Duisburg, Kultur- und Stadthistorisches Museum Weltensammler, Sinnsucher und Paradiesforscher. Eine Wunderkammer zum Entdecken, Staunen und Erleben. (Duisburger Akzente 2019 - »Utopien«)
2021 Bottrop, Garten A. Taubenturm der friedlichen Koexistenz: ein Modellversuch.
2022 Oberhausen, K&K Kelbassa's Panoptikum (Ausgangspunkt) JONAS – ein myzelisches Projekt.
2023 Oberhausen, Haus Ripshorst Erdgeschichten. Kunst & Natur. Künstlerfliesen von K&K Kelbassa's Panoptikum.
2024 Illertissen, Staudengärtnerei Gaissmayer DER ERDE SO NAH. Mensch, Natur und Kunst. Eine Ausstellung mit Objekten von K&K Kelbassa's Panoptikum
Mehr Infos auf der Website von K&K Kelbassa's Panoptikum
Was ist es, was uns so anzieht, uns so hineinzieht in die Erde?
Das Wohlgefühl beim Graben mit den Händen in der Erde oder dem Arbeiten mit Ton?
Eine ursprüngliche Nähe zum Boden, zum Wachsen, zu einer alles durchziehenden vitalen Energie?
Besondere Objekte für einen besonderen Ort
Für uns ist es mittlerweile ein festes Ritual im Jahr, als Aussteller zu den Illertisser Gartentagen auf die Jungviehweide zu fahren – ein Ort voller Inspirationen, einer großen Vielfalt an Pflanzen, Lebensräumen für alles, was kreucht und fleucht, einer Offenheit gegenüber neuen Ideen und einem besonderen Anspruch.
In diesem Jahr – unserem zehnten – konnten wir hier, im Zuge der Ausstelllungsvorbereitungen, erstmals das Frühjahr erleben und mit »pflanzen«: Bis Oktober präsentieren sich im Schaugarten der Staudengärtnerei nun auch »biomorphe« Raritäten wie die »Drachenzähne« oder die legendäre »Berserkerpflanze«, die es zu entdecken gilt – ein Versuch der Annäherung an das Fremde und scheinbar Unbekannte.
Die Gärtnerei ist dafür ein passender Schauplatz, steht sie doch für unser vielschichtiges Verhältnis zur Natur, hin- und hergerissen zwischen Wissen und Emotion.
Kunst und Natur – eine Einladung
Direkt hinter dem neuen »Weidentor«, dem Eingang zum Schaugarten, werden die Besucherinnen und Besucher von drei hoch in den Himmel strebenden, vielseitig gestalteten Figurenstelen empfangen – etwas erhöht, umgeben von Pflanzen, Wasser und einem Zaun. Ein Konglomerat an Köpfen, Gesichtern, Augen. Eine Zäsur – der Startpunkt des Rundgangs durch die Ausstellung, gleichzeitig fast eine Mahnung zum Innehalten und Schauen:
In der Menge an Eindrücken in der Gärtnerei sind es die verschiedenen, von uns gesetzten Punkte, an denen sich Kunst und Natur vermischen, fast unbemerkt Objekte wie Pflanzen in den Beeten »wachsen«, von Bäumen hängen oder sich auf Sockeln über die Vegetation erheben und schon von weitem dazu auffordern näherzukommen.
Objekte wie Pflanzen, wesenhaft, organisch, etwas befremdlich – eine parallele Botanik –, die natürliche Phänomene – Wuchsformen, Strukturen – vergrößert, abstrahiert, vor Augen führt.
Natur als Inspiration – das »Fremde« sichtbar machen
Natur ist für uns Inspiration genug: die Faszination an der Vielfalt, dem Einfallsreichtum und ihre subtile Formfindung lässt uns oft »aus dem Staunen nicht mehr herauskommen«, führt uns immer wieder zum Beobachten und Erkennen – und zu graphischen und plastischen Arbeiten, die wieder zurückweisen möchten auf ihre Ursprünge.
Diese »Biomorphe« sind Mischwesen zwischen Pflanze und Tier, mehr oder weniger wesenhaft und nur schwer naturwissenschaftlich einzuordnen. Sie spiegeln uns auf vielfältige Art unsere natürlichen Beziehungen wider und unser Eingewobensein ins Naturganze: Die leicht gebogenen zahnartigen »Drachenzähne« weisen mit ihrer einheitlichen Wuchsrichtung auf ein zutiefst menschliches Schwarmverhalten, die mimosenhaften »Angstschönchen« stehen für Pflanzen und ihre immer noch unterschätzten sinnlichen Qualitäten, und die legendäre »Berserkerpflanze« oder »Amphora furiosa«, wie sie auch genannt wird, erinnert uns daran, was Pflanzen als Heil- und Rauschpflanzen für eine Bedeutung in der menschlichen Evolution einnehmen.
Der Erde so nah – Mensch und Natur/ ICH und WELT
Ruhig, starr, stoisch – so stehen sie uns gegenüber am Ende des Ausstellungsrundgangs und blicken uns scheinbar an: eine Gruppe anthropomorpher Mischwesen, einheitlich in Anzüge gekleidet, die Arme dicht am Körper. Auf den menschlichen Körpern sitzen ganz unterschiedliche Köpfe – Köpfe von Tieren, Pflanzen, Fantasiegestalten aus Mythen, Märchen, Film oder Comic.
Ist es die menschliche Figurendarstellung oder das »Phänomen der Augen«, auf das wir reagieren? Direkter als zum Beispiel gegenüber Pflanzen.
Die Figurengruppe »alter ego – wir sind viele« spielt an auf die hierarchische Uniformität gesellschaftlicher Gepflogenheit, der zu oft auch die eigene »Natur« zum Opfer fällt. Umso wichtiger für uns, weiter künstlerisch zu »gärtnern« und das Bewusstsein dafür zu schärfen, wie wir unsere natürlichen Beziehungen – der Erde so nah – respektvoll und auf Augenhöhe gut gestalten und ausbauen können.
Mensch und Natur – wir sind viele!
Text: Corinna Kuhn
Fotos: K&K Kelbassa’s Panoptikum
Foto: Doppelporträt: Brigitte Mampe, Oberhausen
Foto: K&K Figurenstelen (Detail): Martin Traub