Minzen…
Text: Ute Studer
Fotos: Staudengärtnerei Gaißmayer
Ute Studer
Ute Studer schreibt seit vielen Jahren für die Schweizer Gartenzeitschriften Bioterra und Der Gartenfreund und ist Autorin mehrerer Gartenbücher. Die Bücher mit ihren Kolumnen wurden schon 2mal mit dem Deutschen Gartenbuchpreis ausgezeichnet. Die Ideen für ihre Geschichten erhält sie durch Beobachtungen in ihrem kleinen, wilden Garten mitten in Zürich.
...Wer aber Kräfte, Arten und Namen der Minze samt und sonders zu nennen vermöchte, weiss auch bestimmt, wie viele Fische im Roten Meer sich wohl tummeln...
Pfefferminze war mir schon in meiner Kindheit verleidet! Beim leisesten Anzeichen einer Erkältung, bei Husten und Grippe, bei Bauchweh oder Ohrenschmerzen wusste meine Grossmutter Rat: »Trink Pfefferminztee, das hilft immer!« Ich weiss nicht, welche Minzsorte meine Oma in ihrem Garten pflückte, aber den intensiv herb-bitteren Geschmack, die etwas seifige Konsistenz und das kümmelartige Aroma des Tees werde ich nie vergessen. Da halfen auch heimlich hineingeschmuggelte Zuckerstückchen nicht. Schon die Androhung dieses Gebräus liess mich jegliches Unwohlsein augenblicklich vergessen.
Minze scheint weltweit in Gesundheitsdrinks zu gehören, denn meine nächste Minze-Bekanntschaft machte ich mit einem 'Mojito' auf Kuba. Diesen Minze-Cocktail erfand angeblich der englische Freibeuter und Weltumsegler Sir Franzis Drake als Mittel gegen die Cholera, indem er Rum mit Minze, Rohrzucker und Limettensaft mischte. Was sich seither 'Mojito' nennt, ist in Kuba ein Nationalgetränk und war das Lieblingsgetränk von Lebemann Hemingway, der längere Zeit in Havanna residierte. Vielleicht war es die Hitze der Karibikinsel oder der Alkohol, der mich mit der Minze etwas versöhnte – oder ihr Name »hierba buena«, gutes Kraut, wie es in der Karibik heisst.
Dass aber diese Minze zusammen mit Geschwistern, Basen und Vettern schliesslich doch noch Einzug in meinen Garten hielt, das lag letztlich an den wunderbaren Beschreibungen von Dieter Gaissmayer, der uns bei einer Führung durch das Illertisser Gartenparadies an einer schier unendlichen Reihe von Minzen schnuppern liess und zu jeder eine Geschichte wusste. Ob Marokkanische Teeminze, bei der man sich in ein orientalisches Beduinenzelt versetzt fühlt, die fruchtige Apfel-Minze mit ihrem an Boskop erinnernden Geschmack, die nach Earl Grey duftende Bergamotte-Minze oder das Kaugummi-Aroma der dunklen Spearmint-Sorte, bei jedem neuen Dufterlebnis wurde mir die Minzfamilie sympathischer.
Und so fanden einige der unwiderstehlichen Duftkräuter ihren Weg in meinen Einkaufskorb. Die erste war die Hemingway-Minze, die angeblich auf abenteuerliche Weise durch einen kubanischen Barkeeper in die DDR gelangte und von dort in die Gärtnerei auf die Jungviehweide kam. Ich kaufte sie wegen ihres Namens und ihrer Geschichte. Ihr folgte die hübsche weiss-grün panaschierte Ananas-Minze mit ihren grossen, länglich-ovalen, runzeligen hellgrünen Blättern. Nach Ananas schmeckte sie kaum. Dass ich sie kaufte, hatte einen anderen Grund. Die ganze Minzenpracht wuchs artig begrenzt in den grossen Kästen und war dank frühem Schnitt schön buschig und ging nicht in Blüte, was dem Aroma förderlich ist. Mit Ausnahme eines kleinen Ananas-Minzen-Zweiges, der sich dem Schnitt entzogen hatte und nun kleine weissrosa Lippenblütchen entwickelte. Und auf diesen herabhängenden Zweig setzte sich laut brummend eine dicke Erdhummel, die sich trotz der vielen minzen-begeisterten Zuhörerinnen nicht bei ihrem Pollen- und Nektarschmaus stören liess.
Der naturbegeisterte Bio-Gärtner erklärte, auf die Hummel zeigend, dass Minzblüten eine wichtige Nahrungsquelle für Wild- und Honigbienen, Schmetterlinge und Schwebfliegen sind. Augenblicklich wurde mir klar, dass ich die Minzen ja gar nicht für Tee anbauen musste, sondern damit den Insekten etwas bieten konnte. Mein Garten ist jetzt im Sommer ein Minzblüten-Meer. Und nach Rückschnitt einiger Sorten bekommen nun die kleinen Brummer eine zweite Minzblüte als Dessert im Herbst vorgesetzt. Und wenn ich die Minzbüschel im Herbst nicht zurückschneide, finden viele kleine Krabbeltiere ein aromatisch duftendes, kuscheliges Winterquartier, in dem sie Unterschlupf und Schutz vor der Winterkälte finden. Da ich nun wirklich keinen Pfefferminztee mag, muss ich auch meine Englische Grüne Minze nicht ernten und kann so ihre Blüten bis in den September den Wildbienen überlassen. 28 Arten sollen auf diese Minze angewiesen sein!
Wie wunderbar wäre es, wenn die auf Lippenblüten spezialisierte Frühe Ziest-Schlürfbiene an meiner Stelle Minz-Tee-Nektar schlürfen könnte. Leider ist das Bienchen hierzulande äusserst selten. Übrigens ist ein wenig Minzschnitt ein ideales Mulchmarterial für Tomaten. Schnecken hindert der intensive Geruch, egal welcher Sorte, zuverlässig am Frass der Paradiesäpfel!
Text: Ute Studer
Fotos: Staudengärtnerei Gaißmayer