Pflanzensymbolik in der Geschichte
Über die Ursprünge der Pflanzensymbolik können wir nur Vermutungen anstellen. Aus den frühen Zeiten der Menschheit besitzen wir keine Überlieferungen. Wir müssen aber annehmen, dass zumindest schon unter den ersten »modernen Menschen« - also den in Europa so genannten Cro-Magnon-Menschen - vor 30.000 bis 40.000 Jahren, Pflanzen eine symbolische Bedeutung haben konnten. Pollenanalysen lassen vermuten, dass diese Menschen zum Beispiel ihre Toten auf Beifuß (Artemisia vulgaris) betteten oder Beifuß als Grabbeigabe verwendeten, weil das schon damals hoch bedeutsame Kraut wahrscheinlich - wie bei vielen schamanistischen Verwendungen bis in jüngere Zeit - unter anderem als Abwehrkraut galt, das vor Dämonen und »Teufeln« schützte, und als »Begleitkraut« den Übergang in die »andere Welt« erleichtern sollte.
In allen mythischen Überlieferungen aus alten Hochkulturen im Mittleren Osten, in Asien, Europa, Nord- und Mittelamerika sind die oft mit Gottheiten verbundenen symbolischen Bedeutungen vieler Pflanzen bekannt. Diese Symbolbedeutungen spielten nicht nur in der religiösen Glaubenswelt, sondern auch in der Heilkunde und den rituellen Praktiken eine große Rolle.
Für die mitteleuropäische Tradition der Pflanzensymbolik sind die altgriechischen und die römischen Mythen, aber auch symbolische Zuschreibungen aus dem Vorderen Orient und Ägypten, vor allem jedoch aus den keltischen und aus den west-, nord- und mittelgermanischen Überlieferungen entscheidend. Noch im Mittelalter war die »heidnische« Pflanzensymbolik nicht nur im so genannten Volksglauben, sondern auch bei Gelehrten, bei Heilkundigen und »weisen Männern und Frauen« präsent, ja sie wirkte bis weit in die Neuzeit hinein: Bei der Hexenverfolgung war der mit Pflanzen verbundene »Aberglaube« und »Zauber« ein wesentliches Vergehen.
Aber schon früh wurde die vor-christliche Pflanzensymbolik auf christliche Glaubensinhalte umgedeutet. So sind die symbolischen Bedeutungen zahlreicher Pflanzen, die mit der Gottesmutter Maria verbunden wurden, unzweifelhaft »Übertragungen« aus den Überlieferungen von orientalischen, griechischen, römischen und germanischen Mutter- und Fruchtbarkeitsgöttinnen.
In der Symbolik der Pflanzen, die heute die Fachleute zusammentragen, stehen meistens die verschiedenen Überlieferungen nebeneinander, es gibt also keine in ihren Inhalten »einheitliche«, aus einer geschlossenen Weltdeutung und Naturlehre entspringende Pflanzendeutung mehr. Man muss, wenn man sich genauer mit den Überlieferungen beschäftigt, jeweils kenntlich machen, auf welche Kulturkreise man sich bezieht. Oft werden leider - gerade in »alternativen« Bewegungen - die verschiedensten Überlieferungselemente aus den unterschiedlichsten Kulturen heillos vermengt: buddhistische, keltische, altgriechische, germanische oder auch indianische Symbolbedeutungen werden einfach unreflektiert und manchmal ahnungslos miteinander gemischt. Dann gerät die Pflanzensymbolik in den Geruch des Unseriösen und »Spinnerhaften«.
Wir können in unserer Zusammenstellung nicht auf die verschiedenen kulturellen Deutungssysteme eingehen, die in die angeführten symbolischen Bedeutungen der Pflanzen hineinwirken. Wir schließen uns aber den fundierten Darstellungen von Fachleuten an, auf die verwiesen ist.