Fuchsien...
...der Winter naht

Text und Fotos: Andreas Barlage
Fotos Fuchsia magellanica 'Arauco': Staudengärtnerei Gaißmayer

Es ist ja immer so: nach der ersten Phase verliebter Glückseligkeit beginnt die Arbeit des Aussteuerns der Gefühle mit der Wirklichkeit. Nur so kann bekanntlich Verliebtheit in eine tragfähige Liebe münden. Dieses Mantra gilt keineswegs nur für menschliche Paarbeziehungen, es ist auch eine Erkenntnis aller Gärtnernden, die auf Erfahrung beruht.

Bei meinen Fuchsien lief das im ersten Sommer genauso, und ich baute meine eigenen Vorstellungen sowie ein paar Vorurteile erst einmal ab – etwa was den Irrtum angeht, dass Fuchsien im vollen Schatten wachsen. Das tat der Liebe indes keinen Abbruch.

Als das erste »Fuchsien-Jahr« sich neigte, tat sich für meine Töpfe die Frage nach der richtigen Überwinterung auf. Ich studierte einschlägige Fachbücher und scrollte mich durch Webseiten mit ausgewiesener Expertise. So erfuhr ich, dass Fuchsien sowohl hell, dann beblättert, als auch dunkel, dann unbeblättert, überwintert werden können. Je dunkler sie stehen, je kühler sollten die Temperaturen ausfallen – doch die Pflanze dürfen keine Fröste abbekommen und auch nicht völlig austrocknen.

Das ist gar nicht so einfach, wenn man keinen Garten mit Erdmiete und kein Gewächshaus oder wenigstens einen kühlen Kellerraum zur Verfügung hat. Ich probierte verschiedene Szenarien aus, die mir erfolgversprechend erschienen:

Die beiden Fuchsien-Stämme bekamen einen Platz in einem mäßig kühlen Hausflur, direkt vor Glasbausteinen, die Helligkeit gewährleisteten, aber denkbar wenig pflanzennützliches Licht durchließen. Sie kamen einigermaßen durch – vielleicht nicht ideal, aber sie überlebten und regenerierten sich wieder schön.

Alle kleinen Stecklingspflanzen, die ich im Herbst noch – eigentlich zu spät – herangezogen hatte, standen vereint an den Fensterbrettern unseres Bades und des gekachelten Kleinstraumes, den selbst Könige grundsätzlich allein aufsuchen. Beide Räume waren nicht beheizt, doch nicht wirklich kalt, und mit geriffelten Scheiben als Sichtschutz befenstert – Licht- und Temperaturbedingungen waren also denen im Flur durchaus ähnlich. Dennoch hatte ich hier erhebliche Ausfälle zu beklagen – etwa die Hälfte der Pflanzen ging ein. Ich nehme an, dass sie unbedingt wachsen wollten – wer kennt nicht das Ungestüm der Jugend – und sich aufgrund Lichtmangels und weiterer ungünstiger Bedingungen nicht aufbauen konnten.

Und dann gab es noch die »Draußenüberwinterer«:

In einer sehr geschützten Nische unserer Terrasse haben wir einen Kunststoff-Tisch, der als »Hochbeet« zu kaufen war, aufgestellt. Man stelle ihn sich wie eine Art Trog auf Füßen vor, mit einer transparenten, abnehmbaren Schutzhaube obendrauf. Ehe ich die Pflanzen dort hineinstellte, kleidete ich das Ganze zusätzlich mit Luftpolsterfolie aus – und zwar so großzügig, dass die Pflanzen damit auch von oben komplett abgedeckt werden konnten. Alle Fuchsien, die in 12er Töpfen wuchsen und etwas zurückgestutzt wurden, hatten darin Platz. Zwei Fuchsien, die in größeren Kübeln wuchsen, habe ich ebenfalls in Noppenfolie eingepackt und unter für meinen Zweck erfreulich hochbeinig konstruierten »Hochbeet-Tisch« gestellt.

Der sehr milde Winter spielte mir dabei in die Hände. Viele Wochen war es frostfrei, und nur gelegentlich gab es nächtliche Minusgrade. Daher reichte es meist, die Pflanzen abends abzudecken. Hielt sich der Frost länger, beließ ich Folie und Haube tagelang auf den Pflanzen. Die Fuchsien trieben früh aus, und als im April nochmals etwa zehn Tage kalte Temperaturen herrschten, trugen wir alle Pflanzen – auch die, die schon aus dem Flur ins Freie durften – ins Haus, um die weichen Neutriebe und Blätter zu schützen und die Pflanzen nicht zu verlieren. Mobiles Gärtnern mit Pöttchen hat also durchaus Vorteile. Sämtliche dieserart überwinterten Fuchsien wurden im Sommer 2024 zu tragenden Elementen der Pöttchengarten-Gestaltung.

Klarer Fall, im Herbst 2024 kommen alle einigermaßen großen Fuchsien nach draußen – zwei Folienhäuser (wieder nachgerüstet mit reichlich Noppenfolie) baue ich noch Oktober zu diesem Zweck auf und stelle sie nahe der Wand in eine geschützte Nische.

Nun die zarte Frage: Lohnt sich eigentlich dieser Aufwand? Warum nicht jeden Sommer von allen Sorten Stecklinge nehmen, diese überwintern und dann im Frühling weiter vermehren... und gut ist?

Ganz einfache Antwort:
Dann bringt man sich selbst um die allerschönsten Fuchsien-Erlebnisse!

Gerade ältere Pflanzen können atemberaubend reich und schön blühen und sogar zu markanten Gestalten heranwachsen. 'Kempenaar', unsere größte Sorte, ist den ganzen Sommer hindurch überschüttet mit Blüten und wirkt dabei interessant und viel lebendiger als ein strenges Formgehölz. Die einzige überwinterte Pflanze der großblumigen 'Windhapper' zeigte ihr beeindruckendes Blüten-Glockenspiel an bis zu 80 Zentimeter langen, sortentypisch schnurgerade hängenden Trieben. Fantastisch!

Zwei Details muss ich aber noch anmerken. Zum einen zeigten sich zwei Sorten, die wohl Gene der wärmebedürftigeren Arten wie Fuchsia splendens oder Fuchsia fulgens in sich tragen, besonders sensibel. Mit Mühe und Not konnte ich die wunderschöne 'Jungle' retten. Bei einer unbekannten »Korallenfuchsie« aus der Art Fuchsia triphylla, die ich im örtlichen Blumenladen gekauft hatte, sieht es ähnlich aus. Diese Exemplare lasse ich also im Winter 2024/2025 besser im Haus.

Und zum zweiten: Es gibt ja auch winterharte Fuchsien – sozusagen das Gegenprogramm zu den Triphyllas. Dabei handelt es sich um Selektionen von Fuchsia magellanica. So habe ich nun in der Tat alle Sorten, die Gaißmayer anbietet, hier beisammen. Ich werde ihre Kübel im Winter an die Hauswand heranziehen und die Fuchsien durch Vlies schützen. Das ist durchaus ein Risiko, denn im Freiland gesetzte winterharte Fuchsien haben durch den Schutz ihrer Wurzeln eine weit größere Chance, Frostwetter zu überstehen. Aber auf der anderen Seite gilt: Versuch macht kluch...

... spätestens wenn die großen Tulpen blühen, werde ich wissen, ob ich zum Fuchsienkiller geworden bin – oder nicht. Darüber will ich dann gern darüber berichten.

Und ich verspreche hoch und heilig: Wenn es Stein und Bein frieren wird, rumpele ich alles was Fuchsie heißt zeitweise in unser Esszimmer. Wir haben ja ein so geräumiges Wohnzimmer mit einem Kartenspieltisch, dass wir unsere Mahlzeiten dort einnehmen können. Wenn mehr als zwei Gäste zum Essen kommen, mummeln wir uns dann geschwind in Daunenjacken ein und löffeln auf der kalten Terrasse heißen Eintopf. Pflanzenfans sind bekanntermaßen bereit, für das Wohlergehen ihrer grünen Lieblinge so manches Zugeständnis zu machen. 

 

Andreas Barlage
Lieblingspflanzen | Andreas Barlage ist der Wandervogel unter den Gartenbesitzern. Weil er in seinem Leben viel umgezogen ist, hat er reichlich gärtnerische Erfahrungen an sehr unterschiedlichen Standorten sammeln können. Nachdem er sich eine Weile...
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