Gartenmoden

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Wenn ich auf mein mehr als 50-jähriges Gärtnerleben zurückblicke, fallen mir so manche Pflanzen und Baumaterialien ein, die zu ihrer Zeit der neueste Schrei waren – bis man sie nicht mehr sehen konnte ...

»Blautannen«

Noch bevor ich 1967 meine Gärtnerlehre begann, fielen mir die vielen »Blautannen« in den Vorgärten auf. Erst später lernte ich, dass es sich dabei nicht um Tannen, sondern um Blaufichten (Picea abies 'Glauca') handelt. Mag sein, dass die Besitzer solcher Fichten sie gepflanzt hatten, weil sie in der blauen Benadelung etwas Besonderes, etwas »Exotisches« sahen. Vielleicht kamen manche dieser Bäume auch in die Gärten, weil man sie als Weihnachtsbaum im Container kaufte und nach dem Neujahrstag oder den Heiligen drei Königinnen aus »Mitleid« in den Garten pflanzte. Denn sie hatten in den dunklen Zimmern unter dem Kerzenschein und der trockenen Zimmerluft wahrlich genug gelitten. Fürs nächste Weihnachten waren sie nicht mehr schön genug, also musste dann eine neue Blaufichte im Container herbei. So entstanden mancherorts mit den Jahren regelrechte Weihnachtsbaumgärten. Die Weihnachtsbäume wuchsen mitunter üppig und erreichten mit ihren Spitzen geradezu schwindelnde Höhen. Ihre Wurzeln breiteten sich flach unter der Bodenoberfläche aus, so dass um sie herum fast gar nichts mehr wuchs. Wenn sie schließlich Wohnzimmer- und Küchenfenster verdunkelten, fielen sie schließlich der Kettensäge zum Opfer.

»Cotoneknaster«, Karlsruher Gartensteine und Jägerzäune

Nach Ende meiner Lehrzeit im Blumen- und Zierpflanzenbau arbeitete ich ein Jahr lang als Landschaftsgärtner in Hannover. Dort lernte ich Waschbetonplatten und Cotoneaster kennen. Bis auf Rasen bestanden viele öffentliche Anlagen und auch manche Gärten aus kaum etwas anderem. Die Waschbetonplatten sollten mit ihrer buckligen Oberfläche die Wegeflächen und Terrassen »auflockern« und der Cotoneaster (»Cotoneknaster«!) für einen pflegeleichten Garten sorgen. Damit wurde nahezu jede freie Fläche zugepflanzt.

Wer eine Böschung auf seinem Grundstück hatte, fing sie mit »Karlsruher Gartensteinen« ab, die dann wahlweise mit »Steingartenpflanzen« oder eben auch wieder Cotoneaster bepflanzt wurden. Und die obligatorischen Jägerzäune sind auch heute noch allerorts präsent. Wer aber niemand an seinem einzigartigen Gartenparadies teilhaben lassen woolte, errichtete einen zwei Meter hohen, kesseldruckimprägnierten Flechtlattenzaun.

Serbische Fichten

Etwa Mitte der 1970er Jahre wurden die Blaufichten von Serbischen Fichten (Picea omorica) abgelöst. Man schätzte sie wegen ihres schlanken Wuchses – und erlebte manche Enttäuschung. Denn viele der gekauften Bäume stammten nicht von den natürlich schlank gewachsenen Fichten aus dem serbischen Hochgebirge ab, sondern waren mit heimischen Fichten gekreuzte Bastarde. Die sahen als kleine Bäume noch schlank aus, wuchsen aber nach ein paar Jahren in die Breite. Und irgendwann wollte kaum noch jemand Serbische Fichten pflanzen.

Bunter Essigbaum

Der Essigbaum (Rhus typhina) durfte auch in kaum einem 70er-Jahre-Garten fehlen. Zweifellos strahlt er im Herbst mit einer prächtigen Farbpalette seiner Blätter und ebenso mit seinen eindrucksvollen Blütenständen. Doch bald wurde er lästig, vor allem im Rasen, wo, angeregt durch tief eingestellte Rasenmäher, die flach unter der Oberfläche wachsenden Wurzeln des Essigbaums gereizt und zum Sprießen neuer Austriebe angeregt wurden. So entwickelte sich mancher Essigbaum zur Plage.

Thujomanie

Muss ich hier noch die vielen »Lebensbäume« (Thuja occidentalis) erwähnen? Und die vielen Hecken? Ein Zeugnis für die botanische Fantasielosigkeit unserer Gartenlandschaften und ganzer Siedlungen. Und wer glaubte, etwas Besseres zu pflanzen, entschied sich dann für Scheinzypressen (Chamaecyparis lawsoniana), die man mancherorts dann auch noch mit blauen oder gelben Varianten mischte. Manche so gepflanzten Hecken und angelegten Gärten glichen eher einem Gruselkabinett.

 

Weder Kirsche noch Lorbeer

Der neueste Schrei schien später Kirschlorbeer (Prunus laurocerasus) zu sein. Überall taucht er auf, oft auch als Hecke. Man pflanzt ihn, weil er auch im Winter grün und somit ein guter Sichtschutz ist. Aber müssen wir uns im Winter derart abschotten? Wenn man nicht gerade vorhat, im Winter bei – 15 °C splitternackt im Garten herumzuspazieren – was macht es denn, wenn gelegentlich jemand hineinschaut?

Irgendwann wird auch der Kirschlorbeer nicht mehr up to date, en vogue oder wie auch immer modern sein, weil man sich an ihm sattgesehen hat, ihn einfach nicht mehr sehen kann. Und dann gibt es neue Gehölze, wieder andere Baumaterialien für den Garten, die überall angepriesen und unbedingt verwendet werden müssen.

Gezielt und passend verwenden

Ich finde das alle schade. Denn Pflanzen sind Lebewesen und auch alle Baumaterialien, die wir im Garten verwenden, haben ihren Ursprung in der Natur, sie wurden mit hohem Energieaufwand hergestellt. So können Waschbetonplatten – inzwischen schon nahezu nostalgisch – geschickt in den Garten eingeplant, durchaus zu einem originellen Gartenbild beitragen, Karlsruher Gartensteine vielfältig bepflanzt und unauffällig in eine Böschung eingefügt, vielleicht gar nicht mehr so technisch wirken.
Selbst eine Blaufichte oder Serbische Fichte könnte als Mittelpunkt oder Hintergrund eines größeren Alpinums die richtige Wahl sein.

Früher fand ich mal Liguster (Ligustrum vulgare) scheußlich. Doch wenn man ihn nicht so streng zurechtstutzt, dann blühen die Sträucher auch als Hecke im April wunderbar weiß und verbreiten einen betörenden Duft. Auf Usedom sah ich einmal im Winter Cotoneaster als breite Hecke geschnitten. Er trug überreich seine kleinen orangeroten Beeren, die in den grauen Wintertag hineinleuchteten. Über diesen reichen Beerenschmuck hat sich auch so manches Vögelchen gefreut!

Alle Pflanzen und Baumaterialien können schön sein, wenn wir sie nur richtig im Garten zu verwenden wissen.

 

Wolfram Franke
aus Vaterstetten Handfeste Gartenarbeit und Schreiben, sowohl mit grüner Tinte als auch mit dem Computer, gehören für Wolfram Franke zusammen. Seinen seit 1994 gewachsenen Kreativgarten in Vaterstetten hat er mit alten Baustoffen gestaltet.
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Text und Fotos: Wolfram Franke