David gegen Goliath

Schon in den 1980er Jahren, lange bevor das heutige Ausmaß globalisierten Saatguthandels vorauszusehen war, erkannten ökologisch wachsame Initiativen die Gefahr zunehmender Monopolisierung durch internationale Konzerne und das damit verbundene Verschwinden vieler Nutzpflanzenarten. 

Die Macht der Konzerne

Im gnadenlosen Wettbewerb einer global agierenden Agrarindustrie teilen sich heute gerade noch vier Multikonzerne die Weltmacht für kommerzielles Saatgut und Agrarchemikalien. Nach der Übernahme von Monsanto (Glyphosat) im Jahr 2018 hält Bayer mit etwa einem Drittel den größten Anteil des Weltmarkts. Mit einigem Abstand folgen der US-Konzern Corteva, die Syngenta Group (China) und BASF. 
Diese vier Agrochemie-Riesen des auf 45 bis 50 Milliarden Dollar geschätzten globalen Saatgutmarktes kontrollieren und verkaufen mittlerweile nicht nur über die Hälfte allen Saatguts, sie teilen sich auch über 60 Prozent des weltweiten Pestizid-Umsatzes. Sie agieren in einem Markt, der so existentiell ist wie kein anderer: Menschen müssen essen. Diese Machtkonzentration ist fatal, denn sie ermöglicht es den Mega-Konzernen, Produkte, Qualität und Preise sowie den Einsatz von Pestiziden und Gentech-Pflanzen zu diktieren und treibt AnbauerInnen in die Abhängigkeit. Zum Autonomie-Verlust kommt die dramatische Beschleunigung des Niedergangs der Artenvielfalt: Von den weltweit einmal vorhandenen über 7.000 Kulturpflanzen sind heute nur noch einige Dutzend von Bedeutung.

Der VEN

Als eine der ersten Initiativen in Europa erkannte der 1986 gegründete VEN (Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt) diese folgenschwere Entwicklung. Saatgut ist Kulturgut, das allen Menschen zugänglich sein sollte, so die zentrale Botschaft des Vereins. Seit seiner Gründung konnten weit über tausend samenfeste Kulturpflanzensorten wie Gemüse, Heil- und Küchenpflanzen, Früchte, Getreide und andere traditionelle Kulturpflanzensorten gesichert werden. Die Vermehrung erfolgt über ein privates Netz von ErhalterInnen. Jährlich wird eine aktualisierte Saatgutliste veröffentlicht. Durch die Arbeit von Regionalgruppen, Netzwerk- und Öffentlichkeitsarbeit, Seminare, Workshops und Aktionen sowie Fachpublikationen und das Mitgliedermagazin »Blattwerk« engagiert sich der bundesweit vertretene gemeinnützige Verein auf vielfältige Weise für den Erhalt der Nutzpflanzenvielfalt.

Ein originelles, inzwischen erfolgreiches Projekt wird in Zusammenarbeit mit Präsenz-Bibliotheken angeboten: In Mitgliedergärten des VEN erzeugtes samenfestes Saatgut wird mit genauer Anleitung für die jeweilige Kultur an interessierte BürgerInnen »ausgeliehen«. Nach der Ernte geben die an der Aktion Teilnehmenden ihr frisch gewonnenes Saatgut an die Bibliotheken zurück, so dass ein Weitererhalt-Kreislauf entsteht. Detailliertes Bildungsmaterial des VEN unterstützt auch weniger Kundige beim Anbau und Ernten.

www.nutzpflanzenvielfalt.de

ARCHE NOAH

Auch für den 1989 in Österreich gegründeten Verein ARCHE NOAH war der Erhalt rarer, älterer und zunehmend gefährdeter Handels- und Lokalsorten Gründungsimpuls und ist bis heute sein Kernanliegen. Jungpflanzenmärkte, Saatgutbezug und ein Sortenhandbuch sorgten für schnelle Bekanntheit, hinzu kamen ab den 2000er Jahren Bildungsangebote, politisches Engagement und diverse Kooperationen. Heute zählt der Verein ARCHE NOAH rund 17.000 (!) Mitglieder und ist aufgrund der Vielfältigkeit seiner Tätigkeitsbereiche eine der größten Nutzpflanzen-Erhaltungsorganisationen Europas.

www.arche-noah.at

ProSpezieRara

Die Non-Profit-Stiftung ProSpezieRara setzt sich seit 1982 an fünf Standorten in der Schweiz für den Schutz und Erhalt gefährdeter Kulturpflanzen und Nutztiere ein. Ein großes Netzwerk ehrenamtlicher Privatpersonen, die Zusammenarbeit mit zahlreichen Institutionen und die Unterstützung von über 13.000 GönnerInnen und SpenderInnen trägt ihre Arbeit.
In den weitläufigen Baseler Merian-Gärten setzt die Stiftung mit ihrem Versuchs- und Sichtungsgarten ein eindrucksvolles Beispiel für fast vergessene Gemüse, Obstsorten und Tierrassen. Hier wachsen, fachkundig gepflegt, über 150 einzigartige Gemüsesorten, 360 Baumobst- und rund 80 alte Beerensorten; auch seltene, früher in Bauerngärten typische Zierpflanzen werden hier präsentiert und für den Weitererhalt gezogen.

www.prospecierara.ch

Saatgut von der Jungviehweide

Auch wir leisten unseren Beitrag zum Artenschutz: Auf dem Gelände des Museums der Gartenkultur setzen sich die Mitglieder des Vereins »Förderer der Gartenkultur« ehrenamtlich und mit großem Engagement für seltene, teils vom Aussterben bedrohte Pflanzen ein. Das Saatgut einer Vielzahl auf dem Gelände des Museums der Gartenkultur angebauten Gemüse und Blütenpflanzen ist - sorgfältig gereinigt, handverlesen und liebevoll verpackt - im Museum und über den Online-Shop der Gärtnerei erhältlich. 

 


 

Text: Angelika Traub
Fotos:

  • Arche Noah: Sortenvielfalt
  • VEN: Saatgutausleihe – Kreislauf
  • Simone Krüsi: Meriangärten Bauerngarten
  • Sabine Spiegler, Stiftung Gartenkultur: Saatgut-Tüten (2 Fotos)
Angelika Traub
Aus dem Forsthaus | Angelika Traub betreut Redaktion und Lektorat unseres Gartenmagazins. Sie lebt und gärtnert am Rande des Sollings. Im großen Landschaftsgarten mit seinen weitläufigen Staudenpflanzungen und vielen besonderen Gehölzen kann sie...
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