In der »Baum-Schule«
Text: Hubertus Albersmeier
Fotos: Ute Eckartz
Der Winterschnitt der Gartengehölze hat doch jedes Jahr wieder erzieherische Wirkung auf den Gärtner. War ich im letzten Jahr zu nachlässig, zu nachgiebig, inkonsequent, überbehütend, war ich zu radikal, überfordernd, rücksichtslos?
Man sieht sie ja alle jährlich wieder, die Formschnittgehölze, teilweise zweimal! Da teilen sie einem schon pedantisch genau mit, was ihnen an der letzten Behandlung nicht gefallen hat.
Nach mehreren Schnitttagen fühle ich mich dann doch angenommen im Garten. Kaum ein Baum sträubt sich, protestiert durch übermäßige Wassertriebproduktion, lässt zu wenig lichtexponierte Astpartien trockenfallen, wirkt überfordert oder zeigt wenig Wuchskraft. Der Neuzuwachs ist moderat, der Gesamthabitus zufriedenstellend. Tendenziell entspannt sich die Situation besonders erfreulich bei den großen, alten Formschnitt-Freestyle-Bonsais. Waren sie in den ersten Jahren renitent und hinterhältig, sprengten zwei- bis dreimal jährlich die ihnen zugedachten Konturen, so haben sie mittlerweile weitgehend ihren Frieden mit mir gemacht, kommen teilweise mit einem Winterschnitt aus.
In der Stille eines ruhigen Februartages ist diese Arbeit ein wunderbarer meditativer Dialog mit einem mittlerweile vertrauten Gartenpartner:
- »Hier brauche ich mehr Licht am unteren Zweigfächer, - putz mal trockene Zweigpartien aus«
- »hier nicht noch eine seitliche Arabeske, da musst du eine der Astpartien ausscheiden lassen!«
So zeigen sie mir meinen und ihren Förderbedarf. Sind beide Seiten dann zufrieden, trete ich zurück, lasse nochmal das Auge mit Wohlgefallen auf dem Werk ruhen und erinnere mich gerne an die Flasche Bier, die ich gestern Abend in einer Mischung aus Eigenliebe und Fürsorge auf Verdacht der Kühlung zugeführt habe!
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Text: Hubertus Albersmeier
Fotos: Ute Eckartz