Versuch einer Skizze des Berufs des Garten- und Landschaftsarchitekten

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Ich bitte Sie nur um eines: Glauben Sie mir, dass ich jetzt keine Werbung für mein Buch »Gärten für die Wüste« machen will. Es geht mir um etwas anderes, wenngleich das Buch den Anlass gab, mir Gedanken darüber zu machen, was im Folgenden zu lesen ist. Nachdem ich das Buch im Oktober 2021 endlich in Händen hielt, gehörte der langjährige Ressortchef Garten eines Verlages zu den Menschen, denen ich das Buch schenkte. Bei ihm erwartete ich neben einem Dankeschön eine profunde Einschätzung, was er von dem Werk hält. Diese Reaktion ließ nicht lange auf sich warten. Ich gebe sie hier verkürzt, aber sinngemäß wider: »Lieber Herr Leppert. Danke für Ihr Buch. Ich kann nicht sagen, wann ich mich mit der Lektüre befasse. Sujet fremd, Protagonist unbekannt, wieviel Geld haben die Scheichs bezahlt, dass Ulmer das Projekt übernommen hat? Wer soll sowas lesen?« Um es gleich vorwegzunehmen: Kein Scheich hat auch nur einen Rial gegeben. Das tun reiche Saudis nur, wenn sie das Investierte doppelt und besser noch dreifach wieder rausbekommen.

Die Antwort dieses Herrn, der in seinem Berufsleben vor allem über Verkaufsaussichten von Garten- und Architekturbüchern nachgedacht und bei Titelvorschlägen den Daumen hoch oder runter gehalten hat, warf eine Frage auf: Was macht das Leben eines Garten- und Landschaftsarchitekten eigentlich so uninteressant? Die Antwort ist kurz und unbefriedigend: Ich weiß es nicht. Interessanter wäre eine geänderte Fragestellung: Was macht das Leben eines Garten- und Landschaftsarchitekten eigentlich so interessant?

Menschen, die ihre Zeit damit zubringen, ihr Expertenwissen in Gartenbücher zu gießen, fragen sich öfter als ihnen lieb ist, warum sich Gartenbücher blendend verkaufen, die von Menschen geschrieben wurden, die aus anderem Kontext bekannt sind, vom Tuten und Blasen im Garten aber nur eine vage Ahnung haben. Zugespitzt könnte man formulieren: Warum greifen zahllose Leserinnen und Leser zum Sachbuch einer Fernsehmoderatorin, die sich im Gemüseanbau versucht, während verlässliches Fachwissen in vierstelligen Verkaufszahlen verkümmert? Oder noch weiter: Warum wartet die deutsche Leserschaft lippenzitternd auf die Biografie eines, sagen wir mal, Dieter Bohlen, während sie achtlos an Werken vorbeigehen, in denen es um Leben und Wirken von Garten- und Landschaftsarchitekten geht. Die Frage ist deshalb interessant, weil es bei einer Biografie immer um Lebensleistung geht. Bohlen hatte zumindest bei der Titelwahl eine Spürnase: Nur die Harten kommen in den Garten!

Gustav Lüttge, der große Hamburger Gartenarchitekt der Nachkriegsmoderne, war ein Meister des kleinen Details, aber auch der großen Geste – und der großen Worte. Er fasste das Ethos seines Berufsstandes in diesem schlichten Satz zusammen: »Für den Garten- und Landschaftsarchitekten kann es immer nur um das Ganze gehen: eine Umwelt zu schaffen, die wir guten Gewissens der nächsten Generation weitergeben können.« Auch wenn Planer wie Lüttge nur alle Schaltjahre geboren werden und die Zeit für Genialität, die sich eine gewisse Sturheit leisten kann, nicht gemacht zu sein scheint, ist dieses Ethos immer noch typisch für den hier und jetzt arbeitenden Landschaftsarchitekten. Was für ein Ziel!

Der Weg dorthin wirkt kleiner. Er will Räume unter freiem Himmel schaffen, die dauerhaft funktionieren, an denen sich die Menschen wohlfühlen. Er weiß dabei, dass kein Raum dem anderen gleicht, er kann schlecht einen Katalog aufschlagen und sich etwas bestellen und wenn, dann Bänke und Papierkörbe. Dieses oder jenes Modell macht die Welt nicht besser oder schlechter. Was bleibt: Er muss aus Leere Fülle machen, ohne den Raum vollzumachen. Er hat eine Ahnung, dass er mit formaler, irgendwie geometrischer Art diese Leere wird überwinden müssen, die dann in das gewünschte Spannungsverhältnis mit der Vielfalt der vegetativen Erscheinungsvielfalt tritt. Und das alles auf einem Stück Boden mit einer Millionen Jahre alten Geschichte, zwischen anderen Nutzungsformen und gestalterischen Ergüssen Anderer. Und immer muss sein Werk ein Original sein. Puuh!

In jedem kreativen Beruf gibt es Gute und Schlechte. Die Guten, zu denen die meisten Garten- und Landschaftsarchitekten gehören wollen, wissen: Alles muss gut überlegt sein, es muss eine gewisse Gültigkeit haben und die auch in fünfzig Jahren noch. Was diese Spezies diesbezüglich von allen anderen kreativen Berufen unterscheidet, ist die Pflanze, das lebende Material, mit dem sie arbeitet. So gesehen ist der oder die Kreative nicht nur Planer von Situationen im Hier und Jetzt, er ist vielmehr auch Wahrsager. Das wiederum bekommt in Zeiten des Klimawandels eine besondere Note – er weiß, dass er kein Hellseher ist.

Neben klimatischen Überraschungen spielt noch der Zeitgeist eine Rolle. Auch die wirklich Guten können sich nicht ganz davon freimachen, denn sie kennen und fürchten die Reaktionen der Bauherren und anderen Nutzerinnen und Nutzer. Auch die grünen Planer wollen gemocht werden. Damit müssen sie zurechtkommen, mit dem Wissen, dass der Zeitgeist über das Werk richten wird – vielleicht brutal. Beim ersten Strich mit der Zeichenkohle (die gibt es immer noch!) und sogar beim fertigen Vorentwurf kennt er das Urteil nicht. Das Einzige, was er weiß ist, dass er sein Bestes geben muss und sich dabei vielleicht einbildet, etwas Zeitloses zu schaffen.

Immerhin, die Geschichte lehrt uns, dass sich das Gültige von wirklich guter Planung nicht durch den Zeitgeist verwischen lässt. Mag sein, dass in Versailles und in Sissinghurst, in der Villa d'Este und im Hamburger Stadtpark, im Münchner Olympiapark, auf dem Stuttgarter Killesberg und im Bornimer Senkgarten mittlerweile nicht mehr die originalen Bänke und Papierkörbe stehen. Aber das macht nichts. Das Gültige bleibt. Und alles war Kampf.

Und heute? Es bleibt Kampf und wenn man in die kreativen Büros hineinhorcht, soll es immer ärger werden. Genialität, mit Sturheit gelebt, soll in Behörden kaum mehr anzutreffen sein. Was seien das für Zeiten gewesen, bedauerte vor wenigen Jahren ein betagter Landschaftsarchitekt, als ein Architekt in der Funktion des städtischen Baudirektors den Hamburger Stadtpark durchdrückte und konzipierte, gegen alle Widerstände hinweg. Und was ist heute los, in einer Zeit, in der das Stadtklima eine riesige Welle von Parkgründungen auslösen müsste? Die sogenannten Freien Garten- und Landschaftsarchitekten müssen sich mit nach Tarif bezahlten Kolleginnen und Kollegen in den Behörden auseinandersetzen, die auch kämpfen, aber für nichts mehr wirklich etwas riskieren. Ein Garten- und Landschaftsarchitektenleben ist, in den meisten Fällen zumindest, eine andauernde Schlacht an vielen Fronten. Hier der gekaufte Geschmack des Neureichen. Da Paragraphen und Normen, die (vielleicht ja...) geniale Ideen austrocknen. Und dort konkurrierende Fachabteilungen, die Flächennutzungspläne und Bebauungspläne diktieren wollen. Und zwischen diesen Fronten der Garten- und Landschaftsarchitekt, hochgebildet und breit ausgebildet, in der Regel sympathisch, eher ein weicher Charakter als ein harter, von Hochbauarchitekten vielfach als »mein Gärtner« tituliert, die Welt zum Guten verändern wollend. Und mit dem Titel »Gärtner« ist er zu allem Übel auch nicht zufrieden. Er hat's wirklich nicht leicht.

Diese Geschichte biegt jetzt auf die Zielgerade ein – daher noch ein kurzer Hinweis auf Richard Bödeker, dem Protagonisten von »Gärten für die Wüste«. Sein Sohn bescheinigte ihm Genialität. In welcher Hinsicht er das gemeint hat, weiß ich nicht. Seine Genialität, so glaube ich, lag in seiner Überzeugungskraft, die nicht ohne Sturheit auskam. Die Tatsache, dass das Königshaus in der Wüstenmetropole Riad bis 2030 über sieben Millionen Bäume pflanzen will, mag eine Utopie sein. Aber dieses Ziel geht auf die stoisch vorgetragene Forderung zurück, entgegen des Korans endlich Brauchwasser als Gießwasser für Stadtbäume zu nutzen. Auch das war Kampf, geführt in einem Kulturraum, in dem die Scharia herrscht. Auf die provozierende Frage des Ressortchefs »Wer soll das lesen?« hätte ich nach den Dürrejahren und den Regenmengen der diesjährigen Monate März und April eine richtig gute Antwort.

 

Stefan Leppert
Der Buchautor, Journalist und Übersetzer Stefan Leppert versorgt uns »Nachrichten aus dem Schrebergarten«, denn er gärtnert nicht nur in einer sehr besonderen Kleingartenanlage.
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Text und Fotos: Stefan Leppert