Efeu – der Tausendsassa in der Mythologie
Text: Antje Peters-Reimann
Fotos: Staudengärtnerei Gaißmayer
In kaum einem unserer Gärten fehlt er und es gibt sogar einen deutschen Verein, der sich ausschließlich ihm widmet. Und doch spielt Efeu in der Wahrnehmung vieler Gartenfreunde eine eher untergeordnete Rolle. Aber das hat Hedera helix, wie er mit botanischem Namen heißt, keineswegs verdient!
Der Gattungsname lässt sich vom griechischen »hedra« = »sitzen« herleiten, weil die Pflanze auf ihrer Unterlage förmlich festsitzt. Der Begriff »helix« bedeutet übersetzt »gewunden« oder »spiralig«, führt allerdings ein wenig in die Irre, weil die Pflanze nicht – wie beispielsweise der Hopfen – gewunden emporwächst, sondern in die Höhe klettert. Als Volksnamen des Efeus kennt man »Eppich«, »Grabefeu« und »Totenranke« – letztere Bezeichnungen mögen als Hinweis darauf verstanden werden, dass Efeu gern als Bodendecker auf Friedhöfen verwendet wird.
Mit dem Volksnamen »Baumtod« tut man der Pflanze allerdings unrecht. Und so irrte sich schon der antike Philosoph und Naturforscher Theophrast, als er schrieb: »Geht der Efeu an Bäumen empor, so ist er ihnen schädlich, indem er sie aussaugt... Wird er unten abgehauen, so kann er doch noch mit seinen an einem Baum oder Mauer haftenden Wurzeln fortleben.« Wohl klettert der Efeu gern an Bäumen empor, doch er schadet seiner Wirtspflanze nicht. Wenn er in die Höhe und damit hin zum Licht gelangt ist, entwickelt er seine hübsche Altersform mit attraktiven Blüten und Früchten, hört aber dann zu klettern auf. Und wenn man ihn komplett abschlägt, bleibt er zwar noch eine Weile grün, aber irgendwann fehlen auch ihm Wasser und Nährstoffe und er stirbt ab.
Seit jeher hat der Efeu die Menschen fasziniert und so wundert es nicht, dass er in Mythologie und Symbolik eine bedeutende Rolle spielt. Als immergrüne Pflanze war er ein Sinnbild von Ewigkeit, Freundschaft und ehelicher Treue. So heißt es auch in Theodor Fontanes Roman »Effi Briest« über das Brautpaar Geert und Effi: »Geert, wenn er [Effis Vater] nicht irre, habe die Bedeutung von einem schlank aufgeschossenen Stamm, und Effi sei dann also der Efeu, der sich darumzuranken habe.« Schon antike griechische Priester sollen Brautpaaren anlässlich ihrer Eheschließung eine Efeuranke als Symbol ewiger Liebe und beständigen Glücks überreicht haben.
Im Mittelalter verwendeten Hexen Efeu-Extrakte zur Herstellung einer Paste, die sowohl erotisierende Wirkung haben als auch die eheliche Treue festigen sollte. Weitere Inhaltsstoffe der Hexenpaste waren übrigens Eisenhut, Wasserschierling und das gekochte Fleisch eines Diebes! Und nur, wenn man den Efeu eine Stunde vor Sonnenaufgang und mit nach Osten gewendetem Gesicht erntete, konnte er seine magische Wirkung entfalten.
Wer sich in der Antike eine Efeuranke um den Kopf band, sollte vor den negativen Begleiterscheinungen exzessiven Trinkens geschützt sein. Wohl aus diesem Grund ist der antike Gott des Weines, Dionysos/Bacchus, wohl oft mit einer Efeuranke umkränzt dargestellt. Und auch der Thyrsosstab des Dionysos endete in einem Knauf aus Efeublättern. Für den Botaniker Hieronymus Bock war der Efeu noch im Mittelalter das Mittel der Wahl bei Trunkenheit und er empfahl: »Fünff oder sechß körner ... / bewahren den menschen das er nit leicht truncken werde.« Priester hatten übrigens bereits in der Antike gehörigen Respekt vor dem Efeu. So scheuten sich römische Priester davor, die Pflanze zu berühren, da sie fürchteten, sie könnten von der Pflanze gefangen genommen und zerquetscht werden. Wenn man in der Natur sieht, wie eng sich Efeupflanzen um ihre Wirtsbäume klammern, kann man die Furcht der Römer beinahe verstehen. Besonders ausdauernde Exemplare von Hedera helix werden übrigens – wie in der Fachliteratur zu lesen ist – bis zu 500 Jahre alt und bringen es auf einen Stammdurchmesser von bis zu zwei Metern!
Text: Antje Peters-Reimann
Fotos: Staudengärtnerei Gaißmayer