Sommerblumen-Erinnerungen
Text: Christian Seiffert
Fotos: Staudengärtnerei Gaißmayer
Gerade fiel mir eine Tüte mit altem Tithoniensamen in die Hände. Vor vielen Jahren gekauft, hat mich etwas davon abgehalten, die Mexikanischen Sonnenblumen hier zu kultivieren. Der Garten ist einfach zu klein für diese riesige Gestalt. Tithonia rotundifolia erreicht gut genährt 2 m Höhe. So habe ich sie jedenfalls in Erinnerung. Ich begegnete ihr zum ersten und eigentlich zum einzigen Mal im Staudensichtungsgarten Weihenstephan. Dort stand sie in größerer Stückzahl zusammen mit Buddleia davidii, dem Schmetterlingsstrauch. Wie das? Beide haben doch nichts mit Stauden zu tun. Doch die standen sicher dazwischen, blühten zu einer anderen Zeit. Zu Füßen der großen Gestalten wuchsen Tagetes, genauer die bräunlich-orange Tagetes patula (Niedrige Studentenblume) und Verbena rigida (Mittelhohes Steifes Eisenraut), das Violett der Buddleien widerspiegelnd
Diese spätsommerliche Komposition konnte man in den 1970er Jahren im Staudensichtungsgarten bewundern. Und eine zweite fiel ins Auge, die mir unvergessen bleibt: Kräftig blauer Rittersporn und dazu orange-gelbe Cosmeen, Cosmos sulphureus. Der Rittersporn blühte nach Rückschnitt zum zweiten Mal, so kam es zur Gleichzeitigkeit mit der Kupferkosmee.
Der Komponist dieser Bilder war der Gründer und Leiter des Gartens, Richard Hansen. Er wurde »der Staudenhansen« tituliert, aber für die Kurzlebigen, die Sommerblumen, hatte er gleichermaßen ein Herz. Und er hatte viele Gründe dafür, sich mit den »Nicht-Stauden« auseinander zu setzen.
Eines seiner wichtigsten Anliegen damals war es, die Stauden, insbesondere die Beetstauden, in öffentliche Anlagen zu bringen. Er war überzeugt, der Weg dahin führe über die Kombination von Stauden mit Sommerblumen. Die Sommerblumen allein hatten es ja durch die Wechselflor-Beete schon geschafft.
Ein anderer Anlass für die Sommerblumen in Weihenstephan waren die Sortimentspflanzungen in der Staudensichtung. Solche Pflanzungen blühen und sind danach lange stumm, oder sie sind Monate stumm, um dann endlich zu blühen. Sind z.B. die Schwertlilien verblüht, sollten auch danach der Besucher angesprochen werden. Er fand mit den gelbenorangen Blüten der kalifornischen Eschscholtzia californica (Goldmohn) eine langblühende Überbrückung auf den Irisbeeten. Ein anderes Beispiel: Bis September dauert es, bis die Chrysanthemen in der Sichtung endlich blühen. Eine vorverlegte Blütenfreude erzielte er mit, Ageratum houstonianum (Leberbalsam) und Tagetes.
Der vermutlich wichtigste Grund für die Sommerblumen-Liebe Hansens aber war die Erkenntnis, dass Beetstauden durch die Farben und die Üppigkeit der Sommerblumen eine Steigerung erfahren können und manchmal ihre Pracht erst richtig zur Wirkung kommt, wenn, ja wenn man die richtigen Partner findet.
Zwei Kriterien spielten bei Hansen immer eine Rolle: Sind nicht Sommerblumen, die in ihrer Heimat eigentlich perennieren, gute Partner für Stauden? Richtige Stauden sind z. B. Verbena bonariensis (patagonisches Eisenkraug) und Nicotiana sylvestris (Waldtabak). Auch bewegte ihn der Gedanke, nach Möglichkeit Arten zu kombinieren, die von ihrer Herkunft her geographisch nicht zu weit auseinander liegen. So liegen Tithonien und Tagetes sowohl geografisch (Mexiko) wie genetisch dicht beieinander. Gefühlt habe ich sie immer für ein Bindeglied zwischen Dahlien und Tagetes gehalten. Doch nur selten ließen sich diese Hansen-Vorstellungen realisieren. Und so waren dann doch häufig Farbe und Gestalt entscheidend, und darin war er Meister.
Andererseits ließ er es auch locker geschehen: Viele Sommerblumen wurden nicht angezogen und gepflanzt sondern kamen von allein. Auf den vielen offenen Beeten und Wegen konnten sie sich versamen und tauchten spontan auf. Was nicht passte, wurde gejätet, was gefiel blieb stehen.
Soweit Weihenstephan. Das liegt 40 bis 50 Jahre zurück. Doch das Thema »Sommerblumen und Stauden« ist noch immer aktuell und verlockend. Auch ist gerade Zeit, die Samenbestände zu sichten und Sommerblumen vorzuziehen – oder sich Samen zu besorgen. Hansen schätzte sehr die Gattung Verbena. In Gärten und Gartenanlagen ist davon nur die Verbena bonariensis übriggeblieben. Zu Stauden gesellte er aber sieben weitere Verbenen-Arten, die nicht steif aufrecht, sondern niedrig, nur 10 bis 30 cm hoch sind. Darunter die violette Verbena rigiga, die rote Verbena peruviana (Peruanisches Eisenkraut) und die rötlich purpurne Verbena canadensis (Rosen-Verbene). Wären die nicht einen Versuch wert?
Ich möchte Sie aber mit diesen Vorschlägen nicht einengen. Stauden und Sommerblumen bieten doch unendlich viele Kombinationsmöglichkeiten, die es auszuprobieren gilt. Komponieren Sie!
Text: Christian Seiffert
Fotos: Staudengärtnerei Gaißmayer