Wunschtraum aller Flugzeugbauer
Ein Beitrag von Christian SeiffertSie fliegen vorwärts, sie können auch rückwärts fliegen, sie stehen schwirrend auf der Stelle vor einer Blüte, deren Nektar sie mit langem Saugrüssel aufnehmen. Flügel, die 80 Schläge pro Sekunde (!) ausführen, machen all diese Kunststücke möglich. Dabei haben diese „Schwärmer“ einen ach so niedlichen deutschen Namen: „Taubenschwänzchen“ werden sie gern genannt. Falls es einem gelingt, sie aus der Nähe zu betrachten, oder einen verendeten Schwärmer dieser Art findet: Das Tier hat ein aus Schuppen gebildetes Doppelschwänzchen, das offenbar beim Navigieren eine große Rolle spielt.
Das Schauspiel wiederholt sich jedes Jahr. Im Eresinger Garten blüht ab Juni mit großer Intensität die Spornblume, Centranthus ruber. Sie ist ein Samenmitbringsel vom Gardasee, wo sie in den steilen Kalkhängen wächst. Die erste Pflanze existiert längst nicht mehr. Mehrere Generationen haben sie im Garten ausgebreitet, was durch Samen an kleinen Fallschirmen geschieht. Dieser Gardasee-Centranthus wächst sehr viel wilder und wird höher als die in Staudengärtnereien angebotenen Auslesen. Seine Blütenfarbe ist ein einheitliches Rosa. An diesen rosa Blüten betätigen sich an warmen, sonnigen Tage die Taubenschwänzchen. Sie zu fotografieren ist reine Glückssache. Sie halten Abstand vom Fotoapparat, und sie sind unglaublich schnell. Ihr Interesse aber gilt ganz den sehr langröhrigen Centranthusblüten. Die sind so lang und werden mit einem Sporn fortgesetzt, dass nur wenige Insektenarten an den Nektar am Blütenboden gelangen. Der Taubenschwänzchen-Schwärmer ist mit seinem bis 28 mm langem Saugrüssel darauf spezialisiert. Und so sucht er Nektar auch bei anderen langröhrigen Pflanzenarten, z.B. beim Phlox, Rotem Fingerhut, dem Schmalblättrigen Weidenröschen, Natternkopf, Seifenkraut aber auch landwirtschaftlichen Kulturpflanzen wie Rotklee und Luzerne. Der wissenschaftlicher Name des Taubenschwänzchens ist Macroglossum stellatarum, übertragen: Große Zunge und eine Ableitung von Stellatae, das war offenbar zu Linnés Zeiten ein Synonym für die Rubiaceaen. Und damit kommen wir zu den Nahrungspflanzen der Raupen. Die fressen verschiedene Galium-Arten, von Galium verum bis Klettenlabkraut. In südlichen Zonen mästen sie sich auch an Weidenröschen-Arten und an Centranthus. Die Sporenblume ist ihnen also aus dem Süden wohlvertraut.
Übrigens sind die Taubenschwänzchen Wanderschmetterlinge. Ihr Hauptvorkommen ist im gemäßigten Süden, z.B. rund um das Mittelmeer. Von dort aus machen sie im Sommer Abstecher weit in den Norden. Es heißt, dass sie in 14 Tagen bis 3000 km zurücklegen können. Manche überwintern auch bei uns, so haben die ersten Schwärmer im Juni hier überwintert. Später mischen sie sich mit den Taubenschwänzchen aus dem Süden.
Text und Fotos: Christian Seiffert